Otmar Lahodynsky über persönliche Begegnungen mit dem Wien-Korrespondenten.
Wien – Er war ein rastloser und immens fleißiger Korrespondent. Für die spanische Zeitung „La Vanguardia“ berichtete Ricardo Estarriol: seit 1964 als einer der ersten akkreditierten westeuropäischen Journalisten über die Sowjetunion, osteuropäische Staaten, den Balkanraum und Österreich. Er starb 84-jährig in der Nacht auf Samstag in seiner Wahlheimat Wien im Alter von 84 Jahren. 1937 in der spanischen Stadt Giron geboren studierte Estarriol in Barcelona Jus und Publizistik und kam 1964 als junger Reporter nach Österreich.
Der engagierte Katholik Estarriol gründete hier bald das heutige Regionalvikariat der katholischen Personalprälatur Opus Dei. Dabei half ihm Kardinal Franz König, der aber über die Rolle und den Einfluss des Laien-Ordens im Vatikan nicht immer begeistert war.
Während des Pontifikats von Papst Johannes Paul II war Estarriol auch Ansprechpartner für österreichische Medienschaffende und ausländische Korrespondenten in Wien.
Mit Hilfe eines ausgeklügelten Zeitplans bereiste er alle Länder, über die er für „La Vanguardia“ stets kundig und profund berichtete. Ich begegnete ihm daher auch oft während der „Solidarnosc“-Zeit in Polen und auf verschiedenen KP-Parteikongressen von Warschau bis Belgrad. Der vielsprachige Journalist verfügte über gute Kontakte zur offiziellen Politik wie auch zur Dissidentenszene und natürlich Kirchenkreisen. Er blieb stets freundlich und trotz seines immensen Wissens bescheiden. Als ich in Brüssel Korrespondent war, verlor ich den Kontakt zu ihm, bis er mir junge Studenten aus dem Opus Dei-Studentenheim vom Wiener Linnéplatz, das er mit aufgebaut hatte, auf einer Brüssel-Reise zum Gedankenaustausch über Europa schickte.
Im Nachruf seiner Zeitung hieß es: „Um zu wissen, welcher Führer aufsteigt und welcher fällt, um die Stimmung in den Fabriken und in den Warteschlangen vor den Lebensmittelgeschäften zu kennen, musste man den unaufhörlichen Beschuss des kommunistischen Propagandaapparats überwinden, ebenso wie das Netz von Spionen und Lauschern, das die Geheimdienste um den Korrespondenten spannen. Wer sich zum Beispiel 1989 in ein Zimmer des Hotels Jalta am Prager Wenzelsplatz begab, um die Verhandlungen zwischen dem kommunistischen Regime und Vaclav Havel zu erläutern, geriet ins Fadenkreuz eines Abhörsystems, das niemanden verschonte.“
Und weiter: „Estarriol beherrschte Informationen, weil er es verstand, sich in die Lage anderer Menschen zu versetzen. Dank seines Einfühlungsvermögens gelang es ihm, die Hilfe eines Kollegen der sowjetischen Agentur Novosti und die Freundschaft eines polnischen kommunistischen Arbeiters zu gewinnen, die sich beide an den Antipoden seiner Ideologie und Spiritualität befanden.“
Otmar Lahodynsky
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