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Andreas Koller (Foto: Herbert Neubauer)
11.06.2021   Vermischtes
Andreas Koller: Gibt es kein Recht auf private Kommunikation mehr?
Zwischen geleakten Chats und peinlichen SMS-Dialogen stellen sich einige grundsätzliche Fragen, analysiert der stellvertretende Chefredakteur heute in den „Salzburger Nachrichten“.
Salzburg – Auch wenn es für Opposition und Medien reizvoll sein mag, die ÖVP am Nasenring ihrer eigenen Chatprotokolle durch die Manege zu zerren, ist es angebracht, altmodische Begriffe wie „Verhältnismäßigkeit“ oder „Grundrechte“ nicht ganz aus dem Blick zu verlieren. Dann kommt man ganz von selbst zur Erkenntnis, dass beispielsweise die Sicherstellung und Auswertung von Handys durch die Strafverfolgungsbehörden hierzulande erschreckend leicht vonstattengeht.
 
Während etwa die „akustische oder optische Überwachung“ eines Verdächtigen nur bei schwersten Verbrechen zulässig ist und während die Vorratsdatenspeicherung von grundrechtsbewussten Höchstrichtern beeinsprucht wurde, kann ein Handy schon dann beschlagnahmt werden, wenn es bloß auf dem Schreibtisch liegt. Oder, wie es die Strafrechtsprofessorin  Susanne Reindl-Krauskopf kürzlich in der „Presse“ sagte: Die „Sicherstellung von Handys“ könne „grundsätzlich bei jedem durchgeführt werden“, auf dessen Telefon „beweisrelevante Informationen sein könnten“.
 
Das ist – eingedenk der Tatsache, dass auf Smartphones oftmals das ganze Leben ihrer Inhaber gespeichert ist – eine bestürzend niedrige Hürde für diesen massiven Grundrechtseingriff. Hier besteht eine eindeutige Gesetzeslücke, die übrigens nicht nur die Türkisen betrifft: Der burgenländische LH Hans Peter Doskozil musste sein Handy aufgrund des vagen Verdachts einer falschen Zeugenaussage abliefern. Also eines Delikts, das für eine Telefonüberwachung oder eine sonstige invasive Maßnahme nie und nimmer ausreichen würde. Das Recht auf Achtung des Privatlebens, Stichwort Briefgeheimnis, Stichwort private Notizen, Stichwort persönliche Fotos, wird mit Füßen getreten.
 
Die Sache wird nicht besser durch den Umstand, dass auch vertrauliche Handyinhalte unweigerlich an die Öffentlichkeit geraten. Einer der Betroffenen musste kürzlich hinnehmen, dass sich die halbe Twitteria das Maul zerriss über schlüpfrige Fotos, die er angeblich auf seinem Handy gespeichert hatte.
 
Jetzt wieder macht die durch geleakte Chats abgesicherte Erkenntnis die Runde, dass Sebastian Kurz und die Seinen bereits 2016 an der Demontierung des damaligen Parteichefs Reinhold Mitterlehner gearbeitet haben. Was ein in politischen Parteien, leider, absolut üblicher Vorgang ist und nichts mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun hat. Ob die No-na-Enthüllung die damit verbundene Verletzung des Rechts auf vertrauliche Kommunikation rechtfertigt? Interessiert derzeit niemanden.
 
Andreas Koller, Stv. Chefredakteur/Ressortleiter Innenpolitik „Salzburger Nachrichten“
 

 


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