Teil 9 von Stephan Töngi.
Salzburg – Der Nationalratsabgeordnete B. hat einer Zeitung einmal auf einen Schlag gleich zwei anschauliche Beispiele für den falschen Gebrauch der scheinbar identischen Partikel „anscheinend“ und „scheinbar“ geliefert: „Seit einigen Tagen kennen wir nun scheinbar den Grund für seinen Austritt“, erklärt B. „Denn Herr C. will scheinbar mit einer eigenen Liste … zur Landtagswahl antreten.“
Die von der Zeitung unverändert übernommenen Sätze verwenden gleich zweimal fehlerhaft das Wörtchen „scheinbar“. Dieses besagt nämlich, dass etwas nur dem Schein nach, nicht aber in Wirklichkeit so ist, wie es sich darstellt, also vermeintlich. Es steht damit im Gegensatz zu „wirklich“, „wahr“, „tatsächlich“.
Nötig wäre jeweils der Rückgriff auf das Wörtchen „anscheinend“ gewesen: Dieses bringt die Vermutung zum Ausdruck, dass etwas so ist, wie es erscheint. Und das wollte B. ja schließlich ausdrücken.
Undotierte Quiz-Frage:
Welcher Satz ist richtig?
A: Anscheinend ist B. der Unterschied zwischen anscheinend und scheinbar nicht geläufig.
B. Scheinbar ist B. der Unterschied zwischen anscheinend und scheinbar nicht geläufig.
Die richtige Antwort bitte bei sich behalten.
Nächste Woche geht es um Denglisch.
Vergangene Woche stand die
Apposition im Mittelpunkt.
Stephan Töngi war beim „Mannheimer Morgen“ zuletzt für die Qualitätssicherung zuständig. Zuvor arbeitete er als Redakteur, später stellvertretender Ressortleiter in der Politikredaktion. Bei seiner Tätigkeit begegneten ihm typische Schreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler. Mit seiner wöchentlichen Kolumne möchte er Kolleginnen und Kollegen davor bewahren, in die Fallen der deutschen Sprache zu tappen.