Eine Veranstaltung des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) zeigte auf, dass Unternehmen und Behörden großteils noch nicht vorbereitet sind. Journalistinnen und Journalisten sollten die Motive von Whistleblowern jedenfalls immer hinterfragen.
Wien – Bis 17. Dezember muss Österreich die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Ab dann sind Unternehmen mit über 50 Beschäftigten, aber auch Behörden und öffentliche Stellen verpflichtet, für interne Hinweisgeber Plattformen einzurichten, um Missstände aufzuzeigen.
Der Zweck von Whistleblowing ist es, Schaden von betroffenen Unternehmen und Einzelpersonen sowie der Öffentlichkeit abzuwenden und mögliche Missstände und Rechtsverstöße frühzeitig aufzuzeigen. Das Europäische Parlament beschloss 2019 die Richtlinie (RL 2019/1937) „zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“.
Wie die aktuelle Lage in Österreich ein Monat davor aussieht, erörterte ein hochkarätiges Panel des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) Mitte November unter dem Titel „Whistleblower im Spannungsfeld zwischen Gefühl und Gesetz“. Die ehemalige Investigativ- und Wirtschaftsjournalistin Elisabeth Woditschka moderierte die Runde mit Ursula Roberts, Leiterin der Praxisgruppe Arbeitsrecht und Immigration bei PwC P&O Legal, Ashwien Sankholkar, Chefreporter und Gesellschafter der gemeinnützigen Rechercheplattform „DOSSIER“, Wilhelm Milchrahm, Partner bei der Kanzlei MS Legal sowie Ex-Manager und Berater Klaus Schmid, Gründungsmitglied des IFWK.
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Für Ursula Roberts ist entscheidend, dass eine Meldung „nicht beim Betriebsrat landet, sondern bei einem unabhängigen Dritten und dass die Anonymität gewährleistet ist. Diese Richtlinie ist eine Schutzmaßnahme für Personen.“
Investigativjournalist Ashwien Sankholkar betonte: „Die Whistleblower-Richtlinie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Sie wird viele Vorstände, Geschäftsführer oder Aufsichtsräte zittern lassen und für mehr Disziplin beim Umgang mit Rechtsverstößen sorgen. Wer Compliance nicht ernst nimmt, der wird künftig mehr Probleme bekommen. Das Topmanagement wird gezwungen sein, eine Vertrauenskultur zu etablieren. Sonst gibt’s Troubles. Wer Misstrauen sät, der wird Whistleblower-Anzeigen ernten.“ Sankholkar selbst nimmt sich viel Zeit, die Motive eines Whistleblowers zu verstehen: „Bevor ich einem Hinweis nachgehe, stelle ich den potenziellen Informantinnen und Informanten immer dieselben Fragen: Welche Kanäle im Unternehmen haben Sie genutzt, um den Missstand zu beseitigen? Haben Sie mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen? Welche Behörde haben Sie kontaktiert? Und zum Schluss muss ich mir selbst die Frage stellen, ob die Aufdeckung des konkreten Missstands von öffentlichem Interesse ist? Das muss ich immer von Fall zu Fall abwägen. Diese Arbeit bleibt mir nicht erspart.“
Wilhelm Milchrahm, Partner bei der Kanzlei MS Legal, fügte hinzu: „Die Richtlinie bedeutet auch, dass man einen unternehmerischen Rechtsbeistand mit diesen Belangen bemühen kann und sollte, denn es gibt Pflichten, die der Mitarbeiter und auch ein Unternehmen hat. Betroffene Organisationen müssen einen internen Meldeprozess einführen, der Internen und Externen die Möglichkeit gibt, Verstöße zu melden.“ Klaus Schmid, u.a. CEO von Capgemini in Österreich sowie von NTT DATA räumte ein, dass die Richtlinie prinzipiell nicht neu sei, viele Unternehmen sich des zusätzlichen Aufwandes und der zusätzlichen Kosten aber noch nicht bewusst sind: „Es muss ein ganz neuer Prozess aufgesetzt werden, der entsprechend dokumentiert und zertifiziert werden muss. Viele Unternehmen gehen auch jetzt sehr sorgsam mit ihrem Personal um und haben entsprechende Werte-Programme. Die Frage ist: Wollen wir ein Symptom behandeln oder auch an der Wurzel beginnen und über Werte diskutieren und darüber, wie man Unternehmen unterstützen kann, dass wieder eine Vertrauenskultur herrscht und man eine Richtlinie in dieser Form gar nicht braucht.“