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News / Was mit Englisch: The true Re-public
Peter Littger
07.04.2022   Vermischtes
Was mit Englisch: The true Re-public
Englisch oder doch Denglisch: Peter Littger zeigt, was Journalistinnen und Journalisten wissen müssen, wenn sie Anglizismen verwenden. Diesmal kommt auch noch Österreichisch dazu.
Salzburg – Peter Littger zeigt in jeder Ausgabe von „Österreichs Journalist:in“, was Journalistinnen und Journalisten wissen müssen, wenn sie Anglizismen verwenden:
 
Wussten Sie, dass „organ“ im Englischen ein Teekesselchen ist – a homonym? Es kann „Orgel“ bedeuten. Oder das „männliche Geschlechtsorgan“. Ein Leser aus Wien, der früher Organist im Stephansdom war, hat es mir erklärt. Jetzt weiß  ich, was der Running Gag unter Organisten ist: „Don’t touch the organ!“
 
Ich bin mir bewusst, dass man solchen Humor unter größtem Vorbehalt verbreiten sollte. Gleichzeitig denke ich: Lieber mal ein dreckiger Scherz aus der katholischen Kirche statt immer perverse Fakten! Außerdem bewegt mich etwas anderes: Ich halte es nämlich für einbisschen österreichisch, mit deftigen Anzüglichkeiten um sich zu werfen – ganz gleich, ob es sich um deutsch-englische Sprachverwirrungen handelt oder um straightforward Austro-German. Das geht so weit, dass ich hier einmal die Frage stellen möchte, ob das „Ö“ in Österreich auch für „obszön“ steht.
 
Als Journalist kann ich das auf zwei Arten beantworten: 
1. anschaulich-szenisch, mit echten Beobachtungen – by describing real life observations.
2. von oben urteilend und kommentierend – by way of judgement and commentary. Da ich schon viele bemerkenswerte Situationen erlebt habe, will ich eine der letzten erzählen, die sich in einem Wiener Taxi ereignete. Auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt ließ  der Fahrer die Scheibe neben mir herunter und fragte zwei fremde Damen im Nachbarauto auf Englisch: „Fancy a threesome?” Dann schaute er mich an und korrigierte: „… or a foursome?“ Die Damen waren nicht betreten oder beleidigt. Sie tuschelten kurz und riefen zurück: „Tonight we are busy. Maybe later!“ Rasch schrieb die Fahrerin eine Nummer auf und reichte sie durchs Fenster. Obszön? Nicht wirklich. Es war halt alles nur wahnsinnig offen, unverblümt – und öffentlich.
 
Nachmittags erlebte ich dann im Rathaus einen Medienmanager, der breitbeinig auf dem Podium saß. Auf Englisch nennt man die herrliche Stellung, die in New Yorks UBahn längst verboten ist, „manspreading“. Der Herr bezeichnete einen anderen Herren wiederholt als „Trottel“. Das war heftig und wäre in Deutschland unüblich. Doch selbst, wenn er „jerk“, „moron“, „douchebag“ oder „idiot“ gesagt hätte – es war nichts gegen die obszönen Beleidigungen, die wir aus England kennen.
 
Zum Beispiel von Boris Johnson, der den türkischen Ministerpräsidenten „wankerer from Ankara“ nannte: einen „Wichser“!  Klar seid Ihr lieben Austrians a bisserl obszön – somewhat ribald, salacious, filthy, lewd, obscene. Darüber hinaus verbinde ich Euer „Ö“ damit, dass Ihr selbst die größten Sauereien öffentlich macht, also publik. Womöglich seids Ihr im Vergleich zum verklemmten Deutschland gar die bessere Re-publik – und die sind wir den Engländern sowieso schon lange voraus!
 
Zum Autor: Peter Littger ist sprachbesessener Autor und Kolumnist, u. a. für die „Wirtschaftswoche“ und ntv.de. Er hat den Nr.-1-Bestseller „The devil lies in the detail“ geschrieben. Im November erschien sein neues Buch „Hello in the round! Der Trouble mit unserem Englisch – und wie man ihn shootet“.


Weitere Themen in „Österreichs Journalist:in“:
– „Meine Priorität liegt in den klassischen Medien“. Bundeskanzler Karl Nehammer über die Medienpolitik der Regierung und sein Verhältnis zu Journalistinnen und Journalisten. Und warum jetzt endlich wieder einiges besser werden könnte.
– Wohin Susanne Dickstein die „OÖN“ steuert. Als neue Chefredakteurin will sie journalistische Talente fördern, die Digitalisierung der „OÖN“ vorantreiben und die Berichterstattung in den Bezirken stärken. Wie das alles passieren soll, erklärt sie uns zusammen mit ihrem Vorgänger Gerald Mandlbauer.
– Hat Ihr Erfolg Ihren Charakter verändert, Herr Florian Klenk? Eine Grundsatzfrage an den „Falter“-Chefredakteur und an neun weitere Journalistinnen und Journalisten, die mit beruflichem Erfolg verwöhnt wurden.
– Der neue Kurs der alten „Krone“. Klaus Herrmann ist ein Meister darin, sein Wirken tiefzustapeln. Doch die Veränderungen, die er bei der „Krone“ angestoßen hat, sind beeindruckend und weitum deutlich zu sehen.
– „Generation Z - wir müssen über eure Arbeitsmoral reden“. Über junge Kolleginnen und Kollegen, die in die Medienbranche drängen, sich aber zugleich mehr um ihre mentale Gesundheit sorgen. Klartext von „Biber“-Journalistin Aleksandra Tulej und ein Realitätscheck von Barbara Haas: Sind die Zler wirklich so?