Drei Jahre danach: Warum ist der „Ibiza-Detektiv“ der Liebling vieler Journalisten?
Der Schuldspruch gegen den Urheber des Ibiza-Videos, Julian Hessenthaler, löste unter vielen Journalisten Empörung aus. Warum, weiß Dr. Media.
Wien – Hätte man sich in den vergangenen Monaten ausschließlich in der Twitter-Bubble der Journalisten über den Prozess gegen Julian Hessenthaler auf dem Laufenden gehalten, könnte man meinen, dass eine vollkommen unberechtigte und skandalöse Hetzjagd gegen einen ganz und gar unbescholtenen Bürger im Gange ist, schreibt Dr. Media in der aktuellen Ausgabe von
„Österreichs Journalist:in“.
Und weiter: Der Schuldspruch gegen den Urheber des Ibiza-Videos Ende März löste unter vielen Journalisten Empörung aus. Dabei wurde Hessenthaler erstinstanzlich wegen der Weitergabe von Kokain, Urkundenfälschung und Fälschung besonders geschützter Urkunden verurteilt, mit dem Ibiza-Video hatte der Prozess gar nichts zu tun. Rein juristisch jedenfalls. Denn die mediale Aufmerksamkeit um die Verhandlungstage ist natürlich sehr wohl dem Umstand geschuldet, dass es hier um jenen Mann geht, der eine ganze Regierung zu Sturz brachte und letztlich auch die Karriere von Sebastian Kurz beendete.
In diesem „Erfolg“ ist wohl auch die unerschütterliche Solidarität der Journalisten mit ihm zu suchen. Und das, obwohl der Richter in seiner Urteilsverkündung unmissverständlich klarstellte, dass die Beweise gegen ihn trotz einiger Widersprüche bei Zeugenaussagen, die aber in diesem Milieu nicht ungewöhnlich seien, erdrückend seien. Die Einschätzung des Richters scheint aber keine Rolle zu spielen, Hessenthaler ist offenbar sakrosankt, hat er es den Journalisten mit dem Ibiza-Video doch überhaupt erst ermöglicht, Recherchen anzustellen, versuchte und vollendete Korruption aufzuzeigen und ein entlarvendes Sittenbild in der Politik darzulegen.
Durch das Ibiza-Video und seine Folgen sind darüber hinaus auch die Bedeutung unabhängiger Medien und das Prestige seriöser Journalisten gestiegen, während unehrenhafte und parteiische Kollegen zu Recht bloßgestellt wurden. Wie kann also dieser Mann gleichzeitig ein Drogendealer und Urkundenfälscher sein? Das passt doch nicht zusammen.
Hinter den Anschuldigungen muss eine Verschwörung stecken, um ein Exempel an einem kritischen Geist und am Sprengmeister der Regierung zu statuieren. Noch dazu ist Hessenthaler smart, gebildet und schlagfertig, hat keine Scheu im Umgang mit Journalisten. Gibt bereitwillig Interviews, in Zeitungen und im Fernsehen. Welcher Verbrecher, der etwas zu verbergen hat, würde sich so verhalten? Nun, wer weiß das schon? Wenn Fragen zu Schuld und Unschuld so einfach zu beantworten wären, brauchte es kein rechtsstaatliches Verfahren.
Jedenfalls ist augenscheinlich, dass die Loyalität vieler Journalisten gegenüber Hessenthaler ihrer Sympathie zu ihm geschuldet ist. Wahrscheinlich dient sie auch ein bisschen dem Selbstschutz. Natürlich fühlt es sich besser an, mit jemandem, wenn auch nur aus der Ferne, kooperiert zu haben, der untadelig ist und ausschließlich aus hehren Motiven heraus gehandelt hat. Und nicht mit jemandem, der gute Kontakte in die Suchtgiftszene gehabt und mit Drogen gehandelt haben soll.
Verstörend ist lediglich, wie undifferenziert dieser durchaus menschliche Reflex ausgelebt wird, wie unverhohlen also namhafte Journalisten ihn in Schutz nehmen und ungefragt öffentlich verteidigen. Während sie dabei nicht nur den Richter und die Anklagevertreter selbstgefällig abqualifizieren, sondern mit ihren Kommentaren und dem Aufrechterhalten von Verschwörungstheorien auch den gesamten Rechtsstaat – und langfristig auch sich selbst – beschädigen.
Weitere Antworten von Dr. Media auf die Fragen:
– Warum verlaufen Corona-Infektionen bei Regierungsmitgliedern besonders mild?
– Sind Personenschützer nur gut trainierte Assistenten von Politikern?
– Gehen „Links. Rechts. Mitte“ bald die Gäste aus?
– Wie wird man bei der Presse vor die Tür gesetzt?