Dass beklagte Medien die Anwälte der Gegenseite nennen, sei in Mode gekommen, kritisiert Medienanwalt Peter Zöchbauer. Namentliche Nennung und ein Bericht über eine Klage sind noch kein Pranger, erwidert seine Kollegin Maria Windhager.
Wien – Dass beklagte Medien die Anwälte der Gegenseite nennen, um sie an den Pranger zu stellen, sei in Mode gekommen, sagt Medienanwalt Peter Zöchbauer. Namentliche Nennung und ein Bericht über eine Klage sind noch kein Pranger, erwidert seine Kollegin Maria Windhager. Ein Streitgespräch mit Köksal Baltaci über sogenannte Einschüchterungsklagen und die Rolle von Anwälten sowie Medien in der aktuellen Ausgabe von
„Österreichs Journalist:in“.
Bis jetzt ist es üblich, bei Beiträgen über Gerichtsverfahren oder Rechtsstreitigkeiten auch Anwälte und Richter namentlich zu nennen. Selbst dann, wenn es sich bei den Klägern oder Beschuldigten um Prominente handelte, Politiker etwa. Ist daran etwas auszusetzen?
Peter Zöchbauer: Nein, aus meiner Sicht ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden. Es wird nur vermehrt zur Mode, dass in einem Rechtsstreit befindliche Medien die Anwälte der gegnerischen Seite deshalb nennen, um sie persönlich in den Streit zu ziehen. Ein Beispiel dafür ist ein Artikel im „Standard“ mit der Überschrift „Einschüchterungsklagen gegen Journalisten auf dem Vormarsch“, in dem sogar dazu aufgefordert wird, Anwälte in bestimmten, den Betroffenen als missliebig erscheinenden Fällen „an den Pranger“ zu stellen. Das erachte ich für einen unlauteren Übergriff. So soll verhindert werden, dass Anwälte bestimmte Fälle übernehmen.
Maria Windhager: Auch aus meiner Sicht ist nichts dagegen einzuwenden. Viele Anwälte wollen ja sogar genannt werden, weil das auch Werbung ist. Ich weiß aber, dass viele Richter lieber nicht genannt werden wollen, weil das bedeutet, persönlich stärker exponiert zu werden, aber gleichzeitig – im Unterschied zu Anwälten – Zurückhaltung erwartet wird. Ich halte es auch noch nicht automatisch für einen unlauteren Übergriff, wenn Anwälte sichtbar gemacht werden und sie auch dafür Verantwortung übernehmen sollen, welche Anliegen sie vertreten. Wir bewegen uns im Öffentlichen Raum, der Gerichtssaal gehört dazu.
Was den „Pranger“ angeht, Dr. Zöchbauer. Seit wann sind denn Anwälte so zart besaitet? In dem „Standard“-Artikel ortet Jurist Walter Strobl ein strukturelles Problem für den Journalismus insgesamt, da manche Klagen oder Klagsdrohungen in erster Linie Einschüchterung zum Ziel hätten und in den Redaktionen Ressourcen binden würden. Den Klägern gehe es also nicht darum zu gewinnen, sondern darum, Leute zu disziplinieren. Dafür müsse ein Bewusstsein geschaffen werden.
Zöchbauer: Es ist ein Unterschied, ob ich den Namen des Anwalts nenne oder ob ich ihn an den Pranger stellte, um gezielt Stimmung gegen ihn zu machen. In dem Beitrag wird von der Juristin Flutura Kusari beklagten Medien dazu geraten, den Anwalt und die Kanzlei der klagenden Partei zu nennen oder gleich das Anwaltsschreiben zu veröffentlichen, damit sie künftig Abstand davon nehmen, solche Fälle zu übernehmen. Der, wie es heißt, „mediale Pranger“ wirke.
Windhager: Namentliche Nennung und ein Bericht über eine Klage sind noch kein Pranger. Wenn jemand persönlich heruntergemacht wird, wäre das aber nicht in Ordnung. Es ist auch nicht gerechtfertigt, bei jeder Klage gleich „Einschüchterung“ zu schreien. Mir ist wichtig zu sagen, dass wir alle, die wir uns in der Justiz bewegen, mehr erklären müssen. Nicht nur vor Gericht, auch vor der Öffentlichkeit. Auch Anwältinnen und Anwälte sind Akteure einer Debatte, die nicht nur juristisch, sondern auch politisch und somit öffentlich geführt wird.
Zöchbauer: Das bestreite ich auch gar nicht. Ich gebe nur zu bedenken, dass die Medien, die von Einschüchterungsklagen sprechen, ja nicht außerhalb der Diskussion stehen, sondern eine Partei des Konflikts darstellen. Deswegen ist hier seitens der Medien Zurückhaltung geboten.
Windhager: Das kommt immer auf den Einzelfall und auf die jeweiligen Akteure an. Ein Beispiel: Wenn ein kleines Medium, gegen das ein großes Unternehmen juristisch vorgegangen ist, das Verfahren nicht öffentlich macht, kann es sich den Prozess nicht leisten. Denn erst aufgrund der Medienberichte kommt öffentliche Unterstützung für ein Anliegen und können Spenden gesammelt werden.
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