Der „Kleine Zeitung“-Chefredakteur warnt davor, die neue berufliche Wirklichkeit „gleich zu pathologisieren“.
Salzburg/Graz – Nach einer aktuellen Studie der deutschen Otto Brenner Stiftung macht die Medientransformation Journalistinnen und Journalisten krank. Der digitale Wandel, die ökonomische Krise vieler Medienhäuser und der Vertrauensverlust der Branche führten zu noch größerem Stress. Der Arbeitsdruck würde zu vermehrten Krankenständen, aber auch Ausstiegen aus dem Beruf führen. Drei Fragen an Hubert Patterer von Antonia Gössinger in der aktuellen
„Journalist:in“:
Viele in der Branche nehmen vermehrte Krankenstände, Reha-Aufenthalte, Sabbaticals, Reduzierungen auf Teilzeiten und zunehmende Berufsausstiege wahr. Gibt es diese Entwicklungen auch in Ihrem Haus?
Hubert Patterer: Zum Glück sind es Einzelfälle. Nicht zu leugnen ist, dass sich die Anforderungen an den Beruf grundlegend gewandelt haben. Der hohe Veränderungsdruck löst Ängste und Verunsicherung aus. Die alten Routinen gelten und helfen nicht mehr. Die Digitalisierung hat den Alltag zu einem Perpetuum gemacht. Die journalistische Arbeit hat sich verdichtet und beschleunigt. Alles Tun ist nicht mehr auf den einen Andruck ausgerichtet, der Andruck passiert rund um die Uhr. Komplexität und der Aufwand an Planung und Kommunikation sind enorm. Diese Atemlosigkeit ist eine große Herausforderung und manchmal auch eine Zumutung, die an Grenzen führt. Ich würde aber davor warnen, diese neue berufliche Wirklichkeit gleich zu pathologisieren. Auch Krankreden macht krank.
In dieser deutschen Studie beklagen Journalistinnen und Journalisten mangelnde Unterstützung durch die Arbeitgeberseite. Wie werden sie in der „Kleinen Zeitung“ begleitet? Gibt es Angebote zur Gesundheitsprophylaxe?
Sie klingen ja fast so, als wären Redakteure Patienten und die Redaktionen Arztpraxen. Natürlich gibt es betriebsärztliche Angebote – vom richtigen ergonomischen Sitzen vor dem Bildschirm bis zu Yoga im Skyroom. Noch wichtiger erscheinen mir in Zeiten permanenten Veränderungsdrucks Angebote zur Fort- und Weiterbildung, um dem Gefühl der Überforderung, etwa bei den neuen Erzähltechniken oder technischen Systemen, entgegenzuwirken. Hier sind wir gerade dabei, eine eigene Change-Akademie ins Leben zu rufen. Sie ergänzt die bereits bestehende Lehrredaktion und richtet sich vor allem an Bedürfnisse im Newsroom.
Wie wird auf den Image- und Vertrauensverlust, den die Medien in den vergangenen Jahren verzeichnen müssen, reagiert?
Der Befund stimmt leider: Die Misstrauenskrise gegen die Sphäre der Politik hat auf die etablierten Medien übergegriffen. Sie werden von vielen Unzufriedenen als Teil des Establishments wahrgenommen, in stiller Allianz mit der Macht. Dieses toxische Bild, verbreitet über die sozialen Netzwerke, war in der Pandemie rufschädigend spürbar, aber auch jetzt in der Kriegsdebatte und rund um die Hofburg-Wahl. Die Populisten befeuern diese Ressentiments gezielt und lustvoll. Das ist alles Gift für die Branche. Ein Gegengift kann nur das Bekenntnis zu radikaler Transparenz gegenüber den Leserinnen und Lesern sein. Wir müssen offen und glaubhaft Auskunft geben, warum wir was wie tun oder unterlassen. Das schließt das Einbekennen von Fehlentscheidungen mit ein. Und: Wir müssen aufhören, Journalismus als Pädagogik misszuverstehen. Wir sind den Fakten und Hintergründen verpflichtet und keiner höheren Gesinnung im Auftrag des vermeintlich Guten. Wer will schon gern erzogen werden, wie man zu sprechen oder zu denken habe? Erziehen kommt vom Ziehen, das ist nicht unser Job. Dagegen setzen sich viele zur Wehr. Ich fürchte, zu Recht.
Das ganze Interview finden Sie
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