Judith Belfkih und Thomas Seifert führen interimistisch die „Wiener Zeitung“. Wie lange, können sie nicht sagen. Auch das Ziel der Reise ist ungewiss.
Wien – Judith Belfkih und Thomas Seifert führen interimistisch die „Wiener Zeitung“. Wie lange, können sie nicht sagen. Auch das Ziel der Reise ist ungewiss. Dass es das Blatt in Österreich dringend braucht, sind sie allerdings fest überzeugt und erklären es im Interview mit Theresa Steininger.
Sie stehen als stellvertretende Chefredakteurin und stellvertretender Chefredakteur seit Jahreswechsel und dem Abgang von Walter Hämmerle quasi an der Spitze der „Wiener Zeitung“. Mit welchem Auftrag sind Sie angetreten?
Judith Belfkih: Nachdem das teils irreführend berichtet wurde: Wir sind beide seit vielen Jahren stellvertretende Chefredakteurin und stellvertretender Chefredakteur. Nun sind wir interimistisch mit der Leitung beauftragt und es ist derzeit auch dezidiert kein neuer Chefredakteur bestellt worden. Diese Leerstelle hat auch Symbolcharakter – hier ist etwas offen. Tatsächlich ist es nicht so, dass die „Wiener Zeitung“ durch unsere Besetzung die Chef-Frage erledigt hätte. Zugleich sind wir damit betraut, die Redaktion in der jetzigen Form zu führen – zumindest bis auf Widerruf. Der Auftrag, den wir haben und für uns formulieren, ist, die „Wiener Zeitung“ weiterzuführen und in ihrer bisherigen Qualität sicherzustellen. In vier Worten: Kontinuität in unsicheren Zeiten.
Haben Sie ein Gefühl dafür, wie lange dieses Interim dauern könnte?
Thomas Seifert: Es gibt keinen Zeitplan und keine Frist – außer, dass die Medienministerin Susanne Raab von einem Ende der Print-Tageszeitung spricht – daran ist unser Vertrag gekoppelt. Doch wann das sein sollte, ist derzeit nicht klar. Unser eigenes Stimmungsbild diesbezüglich ändert sich ständig, die letzten Monate waren für die Redaktion eine emotionale Achterbahnfahrt. Derzeit scheint es jedenfalls, dass die Frist, die sich die Regierung einmal gesetzt hatte, – Juli – nicht haltbar ist.
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Trügt das Gefühl oder ist zumindest mehr Zuversicht da als noch vor ein paar Wochen?
Belfkih: Einerseits steht ein Gesetzesentwurf im Raum, der einen Weg vorsieht, der hochproblematisch ist und bei dem zu befürchten ist, dass nicht viel von der „Wiener Zeitung“ – wie sie jetzt ist – übrig bleibt. Der hängt wie ein Damoklesschwert über dem Haus. Die Perspektive für alle Kolleginnen und Kollegen bleibt demnach sehr vage. Gleichzeitig kann man offen sagen: Die große Eile zum Zusperren scheint nun nicht mehr da zu sein. Vielleicht ist die Politik ja offen für Kritik und es gibt eine Chance, dass die Regierung sagt: „Schauen wir uns das nochmals an, nachdem es so viele tive Kommentare im Begutachtungsverfahren für das Gesetz gab.“ Aber solange nicht kommuniziert wird, dass die Pause- Taste gedrückt wird, solange wir nicht nochmals gemeinsam nachdenken – Medienmacher, Redaktion, Eigentümer, Öffentlichkeit –, so lange ist die Situation im Haus eine sehr schwierige.
Seifert: Der öffentliche Gegenwind ist ja beträchtlich. Denn die Kommentare und kritischen Stimmen kamen ja nicht von irgendwem, sondern von qualifizierter Seite. Ich will nicht in naiven Optimismus verfallen, aber vielleicht ist die Politik ja fähig, Signale aufzunehmen, und ist in der Lage zu erkennen, dass eine breitere Unterstützer-Allianz für die „Wiener Zeitung“ da ist, als die Regierenden geglaubt hatten. Allen wird guttun, nochmals darüber nachzudenken, wohin die Reise gehen soll.
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