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(Bild: Presserat)
13.04.2023   News
Presserat: Hohe Fallzahl, aber weniger Ethikverstöße
Die meisten Ethikverstöße betrafen Persönlichkeitsverletzungen, einige auch das Gebot, zurückhaltend über Suizide zu berichten. Der Presserat sieht zudem seine Arbeit bedroht.

Wien - Der Österreichische Presserat präsentierte seinen Jahresbericht und die Fallstatistik für 2022. Zuletzt wies man auch darauf hin, dass der Fortbestand des Selbstkontrollorgans gefährdet sei. Zwar soll dessen Förderung per Qualitätsjournalismusförderung von derzeit 150.000 Euro auf 187.500 Euro erhöht werden, doch wären 300.000 Euro nötig, um die kumulierte Inflation der vergangenen Jahre abzudecken und die Arbeit in gegenwärtiger Form fortzuführen, warnte Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek in einem Interview.


 


Zurück zum Jahresbericht: Im Jahr 2022 ist die Fallzahl im Vergleich zum Jahr 2021 zwar gesunken, aber noch immer überdurchschnittlich hoch. Insgesamt beschäftigten den Presserat 435 Fälle (zum Vergleich: 2019 waren es 297, 2020 418 und 2021 647 Fälle). In 24 Fällen stellten die Senate Verstöße gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse fest. Zum Vergleich: 2021 gab es 31 Ethikverstöße, 2020 noch 36. Folglich ist die Zahl der Ethikverstöße deutlich zurückgegangen – die Senate des Presserats werten das als positive Entwicklung.


 


Nachfolgend die Fallzahlen 2022 für einzelne Medien und in Klammer dazu jeweils die medienethischen Verstöße: „Kronen Zeitung“ 62 Fälle (6), „Österreich, OE24“ 32 (4), „Wochenblick“ 11 (3), „Bezirksblätter“ 12 (2), „Heute“ 58 (2), „Wiener“ 2 (1), „TT“ 5 (1), „OÖ Nachrichten“ 7 (1), „VN, Neue VT“ 9 (1), „Die Presse“ 11 (0), „Kleine Zeitung“ 17 (0), „Kurier“ 29 (0), „Der Standard“ 73 (0).


 


In zwei Fällen wurden die Senate eigenständig aktiv.


 


Die meisten Ethikverstöße betrafen Persönlichkeitsverletzungen, einige auch das Gebot, zurückhaltend über Suizide zu berichten. Zu den Persönlichkeitsverletzungen zählten u.a. die Veröffentlichung eines unzureichend verpixelten Portraitfotos einer verunglückten Familie („OE24“); die Veröffentlichung grausamer Details zu einem Femizid („Neue VT“); die Nennung der Wohnadresse eines Femizidopfers („Österreich“) sowie die Veröffentlichung eines verstörenden Videos, in dem die Vergewaltigung einer Frau gezeigt wurde („wochenblick.at“).


 


Weiters erkannten die Senate Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot, etwa durch die Bezeichnung von Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten als „Kakerlaken“, „Müll“ und „Abschaum“ (Magazin „Krone.TV“). Zudem wurde bei einer sexistischen Fotostrecke zu einem Artikel über Femizide eine Diskriminierung von Frauen festgestellt („wiener-online.at“).


 


In diesem Jahr gab es auch wieder mehrere Verstöße gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Recherche und Wiedergabe von Nachrichten. Diese Ethikverstöße betrafen unter anderem die „Kronen Zeitung“ wegen einer irreführenden Schlagzeile über einen „russischen Raketeneinschlag“ in Polen. Ebenso wurde die mittlerweile eingestellte Zeitschrift „Wochenblick“ gerügt, weil sie ein Bild mit Contergan-geschädigten Kindern bei einem Beitrag über die Covid-Impfung veröffentlichte.


 


Außerdem gab es Verstöße gegen das Gebot, Werbung und redaktionelle Inhalte nicht zu vermischen, zum Beispiel bei Beiträgen zu Handelsketten in der „Tiroler Tageszeitung“. Schließlich wurden im Jahr 2022 auch einige Verstöße gegen Punkt 12 des Ehrenkodex festgestellt (zurückhaltende Suizidberichterstattung). Diese betrafen u.a. Berichte auf „krone.at“ über die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr und den Ex-FPÖ Politiker Hans-Jörg Jenewein.


 


Darüber hinaus kritisierte der Senat 2 in einer allgemeinen Erklärung, dass publik gewordene Absprachen zwischen Chefredakteuren und verschiedenen politischen Akteuren den Grundsätzen des Ehrenkodex für die österreichische Presse diametral entgegenstehen. Überdies veröffentlichten die drei Senate auch noch eine gemeinsame Stellungnahme, in der zu einer sensiblen Wortwahl bei Femizidberichten aufgefordert wurde.


 


Den Tätigkeitsbericht 2022, in dem einige der oben genannten Fälle genauer beschrieben werden, sowie eine detaillierte Fallstatistik findet man unter www.presserat.at.




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