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(Bild: Wiener Zeitung)
20.04.2023   News
Koalition fixiert Aus für die „Wiener Zeitung“
Trotz massiver Kritik beschlossen Grüne und ÖVP den Gesetzesentwurf. Redaktion startet Hilferuf.
Wien - Trotz massiver Kritik wurde der viel diskutierte Gesetzesentwurf zur Zukunft der „Wiener Zeitung“ am Mittwoch im Verfassungsausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen beschlossen.
 
Dies bedeutet nun: Die Tageszeitung wird letztmalig am 30. Juni erscheinen, sollte sich am Entwurf an seinem weiteren Weg durchs Parlament nicht dahingehend noch etwas ändern. Ab dem 1. Juli wäre das neue Gesetz gültig. Außerdem hat das Unternehmen bis zum 31. Dezember Zeit, die neue „Wiener Zeitung“ vollumfänglich umzusetzen. Es ist jedoch ein fließender Übergang geplant. Lesen Sie hier eine genauere Information der Tageszeitung dazu.
 
Noch kurz zuvor hatte die Redaktion der „Wiener Zeitung“ eine Erklärung veröffentlicht. Man befürchte zahlreiche Kündigungen und verlange von der Regierung ein Moratorium von 18 Monaten, um ein neues Konzept für das Medium zu erarbeiten, lauteten Ausschnitte daraus. In der Erklärung hieß es unter anderem:
 
„Anstatt die bestehenden Online-Aktivitäten der bewährten Tageszeitung weiterzuentwickeln, will die Regierung, dass aus der ,Wiener Zeitung‘ ein völlig neues ,Produkt‘ wird. Am 1. Juli dieses Jahres soll die neue Website starten. Die Inhalte sind bis heute unklar, im Auftrag des Geschäftsführers der Wiener Zeitung GmbH werkt ein ,Produktentwicklungsteam‘. Die Regierung weiß nicht, was aus der ,Wiener Zeitung‘ wird. Sie weiß aber sehr wohl, dass die bestehende ,Wiener Zeitung‘ im Print- und im Online-Format damit zerstört wird. Der proklamierten Absicht der Bundesregierung, die Marke zu erhalten, würde dadurch nicht entsprochen werden. Es wäre vielmehr eine Hülle ,Wiener Zeitung‘, die ihres Kerns beraubt wäre. Sparen kann nicht das Motiv von ÖVP und Grünen heute sein. Denn die Wiener Zeitung GmbH erhält künftig 16,5 Millionen Euro direkt aus dem Bundesbudget. Sechs Millionen davon sind für ein journalistisches ,Praxisprogramm‘ namens ,Media Hub‘ vorgesehen – viel mehr als für bestehende und gut funktionierende Angebote. Der ,Media Hub‘ ist auch demokratiepolitisch bedenklich, denn er ist beim Geschäftsführer der Wiener Zeitung GmbH angesiedelt und steht damit in direkter Weisungskette des Bundeskanzleramts.
 
In liberalen Demokratien ist eine derartige Konstruktion verpönt. Für das Nachfolgeprodukt der ,Wiener Zeitung‘ sind lediglich 7,5 Millionen Euro vorgesehen. Dutzende Kündigungen in der bestehenden Redaktion und im gesamten Unternehmen stehen bevor, während über das Media Hub unter den Fittichen des Bundeskanzleramtes um 6 Millionen Euro ein neues journalistisches Prekariat produziert wird. Doch der Geschäftsführer der Wiener Zeitung GmbH lässt die Belegschaft im Unklaren. Er hat in den vergangenen Jahren weniger die Weiterentwicklung der ,Wiener Zeitung‘ vorangetrieben, sondern vielmehr neue Geschäftsfelder aufgebaut, die der Redaktion der ,Wiener Zeitung‘ nie zugute kamen – und das, obwohl nach wie vor ein Gesetz besteht, das als einzigen Unternehmensgegenstand der Wiener Zeitung GmbH die ,Herstellung und den Verlag der ,Wiener Zeitung‘‘ vorsieht (Staatsdruckereigesetz § 1 Abs. 4). Die Behauptungen der Medienministerin, wonach jeder Redakteur auch im ,neuen Medium‘ eine Perspektive haben wird, erweisen sich angesichts der anstehenden Personalreduktion jedenfalls als unwahr.
 
Wir fordern die Abgeordneten von ÖVP und Grünen daher auf: Drücken Sie den Gesetzesentwurf nicht um jeden Preis durch! Suchen Sie gemeinsam mit der Redaktion nach Lösungen für ein österreichisches Kulturgut, wie dies auch von Tausenden Unterstützern aus diversen Branchen und Institutionen gefordert wird. Das angeregte Moratorium von 18 Monaten wäre dafür ein realistischer Zeitrahmen, der angesichts einer 320 Jahre währenden Geschichte nicht mehr als einen Wimpernschlag bedeuten würde. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass das Blatt der Republik in Print und Online eine echte Zukunftsperspektive hat.“