Die Chats seiner Herausgeberin Eva Dichand haben den „Heute“-Chefredakteur „verstört“ und seien „eine Zumutung“. Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung habe es keinen gegeben und das will er beweisen.
Wien – „Ich bin kein Partymensch, ich kann Small Talk nicht leiden, ich kenne die Lokale von Martin Ho nur als Außenfassade", sagt Christian Nusser im
„Journalist:in“-Titelinterview mit Köksal Baltaci.
Als „Heute“-Chefredakteur hat er in diesen Wochen viel Erklärungsbedarf in eigener Sache. Und er macht das gut. Es gelingt ihm, die eigene Unabhängigkeit glaubhaft zu vermitteln und zugleich ausreichend Kritik in Richtung Eigentümer abzuladen. So sagt er: Die Chats zwischen seiner Herausgeberin Eva Dichand und Thomas Schmid seien „natürlich eine Zumutung auch der Redaktion gegenüber“. Doch „die rote Linie wird überschritten, wenn es einen Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung gibt. Das habe ich nicht erlebt.“
… die Chats von Eva Dichand haben es wirklich in sich.
Christian Nusser: Ja, die verschriftlichten Passagen haben ein anderes Gewicht als bloße Aussagen von Herrn Schmid. Wenn jemand Kronzeuge werden will, geht man natürlich davon aus, dass er sich ins beste Licht rücken will. Die Person muss auch etwas liefern, das sie für den Status eines Kronzeugen qualifiziert. Wenn dann aber Chats auftauchen, hat das eine andere Qualität. Selbst, wenn das Bild in einem Gesamtzusammenhang gesehen anders aussieht.
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„Wir können auch anders“, schrieb Eva Dichand an Thomas Schmid. Was soll man davon halten? Sie wollten das sicher auch wissen und haben sie gefragt: „Was hast du damit gemeint?“
Erstens bin ich mit Frau Dr. Dichand per Sie, nicht per Du. Und zweitens: Darüber habe ich mit ihr noch nicht geredet, deshalb tue ich mich auch schwer mit der Interpretation, weil ich nicht weiß, in welchem Zusammenhang dieser Satz gefallen ist. Aber nehmen wir ihn jetzt einmal so, wie er dasteht. Dann ist er in jedem Fall übergriffig. Das trifft dann aber genau den Punkt, den ich gemeint habe mit: So sind wir nicht.
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… Was ist mit Ihnen selbst? Hätten Sie anders gehandelt? Wäre ein (solches) Naheverhältnis zu jemandem wie Thomas Schmid bei Ihnen möglich gewesen?
Ich bin von Natur aus kein Mensch, der Gesellschaft sucht. Ich fahre mit niemandem außerhalb der Familie auf Urlaub, das war nie anders und wird nie anders sein. Ich bin kein Partymensch, ich kann Small Talk nicht leiden, ich kenne die Lokale von Martin Ho nur als Außenfassade. Ich musste also gar nicht besonders vorsichtig sein, aber natürlich hinterfrage ich jetzt noch vieles mehr als zuvor. Aber um ganz konkret auf Ihre Frage zu antworten: Nein, ich denke, das hätte mir nicht passieren können.
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