Vom Sportreporter über Außenpolitikjournalisten bis zur Chefredakteurin: zwölf Prognosen und Profimeinungen, wie KI Ihren Arbeitsplatz in den kommenden zwei Jahren verändern wird. Susanne Dickstein beispielsweise über das Schreiben von Newslettern.
Salzburg –
„Österreichs Journalist:in“ hat in zwölf zugespitzten Prognosen aufgezeigt, wie sich die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten schon kurzfristig, also innerhalb der nächsten zwei Jahre, ändern wird. Diese Prognosen begründen sich auf Dutzende Gespräche mit Redaktionsverantwortlichen in den vergangenen Monaten, auf stundenlange Testläufe von Programmen wie ChatGPT und Co. und auf Szenarien und Berichte in internationalen Fachmedien.
Potenzielle Einsparungen wurden in den Prognosen in dieser Ausgabe nicht in den Vordergrund gestellt. Ziel war es, realistische Einschätzungen darüber zu liefern, wie sich in Redaktionen einzelne Arbeitsfelder verändern werden, und zwar nicht erst langsam und gemächlich, sondern schon innerhalb der kommenden ein bis zwei Jahre.
Die Prognose zur Chefredaktion:
Sollten Sie nicht bereits die ersten Seiten Ihres Strategiepapiers „Stufenplan zur Integration von künstlicher Intelligenz in der Redaktion“ geschrieben haben, dann ist es höchste Zeit, dass Sie sich dransetzen. Es liegt besonders an Ihnen, ob die Integration von KI in Ihrer Redaktion in den kommenden zwei Jahren erfolgreich sein wird. Und es wird vermutlich der wichtigste Prozess der vergangenen Jahrzehnte für Ihre Redaktion und für Ihr Medienhaus werden, egal, wie viele Managementsitzungen zu Themen wie „Social Media“, „Bewegtbild“, „Audio-Strategie“, „Integrierter Newsroom“, „Trimediale Prozesse“ oder ähnlichen Hype-Themen Sie schon hinter sich gebracht haben. Sollten Sie aber der Meinung sein, dass KI nicht gar so wichtig sei, wagen wir eine Prognose: Ihnen steht ein Jobwechsel bevor.
Die Antwort von Andreas Koller, Chefredakteur „Salzburger Nachrichten“:
KI wird nicht Journalismus machen. KI wird den Journalismus auch nicht ersetzen. Sondern sie wird den Journalismus unterstützen: bei der Recherche, bei der Definition relevanter Themen, bei der Bild-, Video- und sonstigen Contentproduktion, beim Kürzen und Redigieren von Texten, bei der Optimierung des redaktionellen Workflows. Doch am oberen Ende der Verantwortungskette werden nach wie vor Journalistinnen und Journalisten aus Fleisch und Blut stehen. Deren Gatekeeper-Funktion wird wichtiger denn je. Ein Verlagshaus, das glaubt, die journalistischen Haupttugenden – bewerten, einordnen, analysieren, kommentieren, und all das in ethischer Verantwortung – an KI auslagern zu können, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Und ein Journalist, der glaubt, dass die KI seinen Beruf wegrationalisieren wird, hat KI nicht verstanden. Oder er ist kein Journalist.
Die Prognose zu Newslettern:
Vor Jahren waren sie schon mal totgesagt, von vielen „Experten“ als längst nicht mehr zeitgemäßes Format und potenzielle Belästigung in Mailboxen abgeschrieben. Und heute? Keine Redaktion kommt ohne Newsletter aus, jede Publikation hat für ihre Leserinnen und Leser Dutzende Varianten parat. Newsletter haben sich zu einem der wichtigsten Marketing-Tools für Medieninhalte entwickelt. In Zukunft werden es nicht weniger werden, KI-Tools werden fast den gesamten Produktionsprozess für Newsletter automatisieren. Lediglich für den letzten Check des Inhalts vor der Versendung sollte noch menschliches Zutun notwendig sein, aber selbst dabei ist zu erwarten (oder zu befürchten), dass im Lauf der Zeit die Hemmungen in manchen Medienhäusern fallen werden.
Die Antwort von Susanne Dickstein, Chefredakteurin der „Oberösterreichischen Nachrichten“:
Die These, dass KI-Tools fast den gesamten Produktionsprozess für Newsletter automatisieren werden, teile ich nicht. Für uns als OÖN erfüllen Newsletter mehrere Aufgaben, entsprechend werden sie auf unterschiedliche Weise erstellt. Es gibt die automatisierten E-Mails mit den wichtigsten Meldungen am Morgen, bzw. am Abend, aus den Ressorts und aus unseren sechs Lokalausgaben. Diese Newsletter können mit KI-Tools optimiert und personalisiert auf die Leserbedürfnisse zugeschnitten werden. Es gibt aber auch die anderen, für uns wesentlich wichtigeren Newsletter, die persönlich verfasst werden. Sie sind mehr als eine Linkansammlung, sie geben Hintergrundinformationen, bieten einen Blick hinter die Kulissen. Diese Newsletter sind im Dialog mit den Lesern und Leserinnen ein wichtiger Bestandteil, bei dem es um den persönlichen Austausch geht. Das lässt sich nicht von einer KI schreiben – es wäre eine Geringschätzung den Lesern gegenüber, dies zu tun. Einen Einsatzbereich für KI sehe ich auch bei den personalisierten Newslettern: Unterstützung bei der Audience-Treffsicherheit. Es gilt, die zu erreichen, die erreicht werden wollen, und nicht jene, die sich durch zu viele Newsletter belästigt fühlen. Der Grat beim Thema Newsletter zwischen Mehrwert und Spam ist ein schmaler. Newsletter müssen sich exklusiv, wie ein persönlicher Brief, anfühlen – das tun sie häufig nicht.
Zu den weiteren Prognosen
Top-Themen im
aktuellen Heft:
– Die Top-Medientalente: „30 unter 30“
– Martin Thür: „Das ist banaler Alltag, nicht Rocket-Science.“
– Julian Hessenthaler: „Ich bin nicht mediengeil.“
– Was wollt ihr von mir? Warum Jan Böhmermanns Umgang mit Kritik Fragen aufwirft.
– Filmstudio in der Tasche. Werden Sie zum Mobile-Reporting-Profi!