Wie die Journalist:innengewerkschaft in der GPA auf die Kündigung des Kollektivvertrags durch den VÖZ reagieren will, erklärt Eike-Clemens Kullmann.
Wie geht es nun nach der Ankündigung durch den VÖZ, den KV nicht weiterzuführen, und den darauffolgenden Betriebsverhandlungen weiter?
Eike-Clemens Kullmann: Wir hoffen, dass die Vernunft beim VÖZ siegt. Wenn nicht, haben wir in der Gewerkschaft getagt und einen Fahrplan festgelegt. Zieht der VÖZ die Kündigung nicht zurück, werden wir alle Maßnahmen, die der Gewerkschaft zur Verfügung stehen, ausschöpfen. Das kann bis zu Demonstrationen oder als Ultima ratio bis zum Streik gehen. Als erstes würde es längere Betriebsversammlungen geben – auch zu Zeiten, die die Produktion verzögern oder behindern. Die Bandbreite ist umfangreich – und wir werden diese ausschöpfen, wenn der VÖZ nicht zurückrudert. Gleichzeitig möchte ich festhalten: Viele Kolleginnen und Kollegen sind erbost, wie unfair hier vorgegangen wurde. Das hat mit respektvollem Umgang mit dem Sozialpartner überhaupt nichts mehr zu tun. Wenn man etwas ausverhandeln will, geht es um Respekt. Doch das Vertrauen in den Partner VÖZ ist nun schwer gestört.
Es hat also in den letzten Wochen keine Gespräche gegeben?
Von der Kündigung selbst haben wir ja zuerst nur informell und dann aus der Aussendung erfahren. Es hat weder ein Gespräch noch eine Verhandlung gegeben. Dies zeugt letztendlich von der Unprofessionalität von Seiten des VÖZ und hat mit respektvollem Umgang nichts zu tun. Das Vertrauen in den Partner VÖZ ist schwer gestört. Nun wurde mir angekündigt, dass manche Herren mit mir reden wollen, aber das passiert derzeit auf informeller Ebene. Unsinn ist jedenfalls, dass es in der Vergangenheit Termine gegeben hätte, die die Gewerkschaft nicht wahrgenommen hätte. Ich habe das nur als Gerücht gehört, aber wenn ein offizieller Vertreter des VÖZ dies in der Öffentlichkeit behaupten sollte, wäre das für mich ein Grund zu klagen. Das ist üble Nachrede. Ich lasse mir nicht unterstellen, dass ich Verhandlungen abgelehnt oder nicht wahrgenommen hätte. Ich war immer gesprächsbereit und bin es auch jetzt.
Was erhoffen Sie sich durch die angedachten Maßnahmen?
Dass die Vernunft auf Seiten des VÖZ bei bestimmten handelnden Personen einkehrt, dass sie Gespräche führen, die Kündigung zurücknehmen und vernünftig verhandeln. Wir sollten für die Punkte des KV, die anscheinend jemanden stören, Varianten finden, die für beide Seiten in Ordnung sind. Aber uns so hinterrücks darüber in Kenntnis zu setzen, dass man den KV nicht mehr weiterführen möchte, widerspricht jeglicher Art von Sozialpartnerschaft. Außerdem hat das Vorgehen des VÖZ auch dem Ansehen der Branche in der Öffentlichkeit nachhaltig geschadet. Wie soll das bitte auf Menschen wirken, die man ansprechen will, künftig bei uns zu arbeiten, wenn man ihnen durch die Kündigung des KV ausrichtet, dass die Branche möglicherweise keine Zukunft hat? Gleichzeitig muss man festhalten: Die Beschäftigten sind nicht schuld, dass es den Unternehmen nicht gut geht. Zu glauben, dass man Firmen retten kann, indem man den Kollektivvertrag verbilligt, ist Unsinn. Natürlich sind die Lohnkosten ein entsprechender Bestandteil der Ausgabenseite, weil unsere Branche personalintensiv ist, aber wenn die einzige Strategie, Medienunternehmen in die Zukunft zu führen, ist, den Kollektivvertrag billiger zu machen – dann gute Nacht.
Der VÖZ sprach von der Möglichkeit, die Frist bis Ende Juni 2024 zu verlängern. Wie stehen Sie dazu?
Das ist kein Angebot, sondern eine Frechheit. Wenn man diese Frist eh noch verlängern kann, muss man sagen: Wir haben bis Jahresende noch zwei Monate. Man sollte sehen, was sich bis dahin ausgeht an konstruktiven Gesprächen. Außerdem hätte man ja auch schon sechs Monate vorher sprechen können.
Welche direkten Auswirkungen hat die Aufkündigung des Kollektivvertrags?
Flächendeckend ändert sich für die Beschäftigten nichts, auch wenn der Kollektivvertrag gekündigt wurde. Denn der aktuelle Kollektivvertrag hat eine Nachwirkung. Das heißt, er gilt für alle jetzt fix Angestellten vollinhaltlich weiter. Es ist also die Frage, ob die Unternehmensvertreter sich etwas ersparen, wenn die Frist nun Jänner statt Juni wäre. Denn derzeit gibt es ja in der Branche sowieso kaum Neueinstellungen – und nur diese wären von einem fehlenden KV betroffen. Das Einzige, was das VÖZ an direkten Auswirkungen der Kündigung erreichen kann, ist, dass nächstes Jahr keine flächendeckenden Gehaltsverhandlungen mehr möglich wären. Natürlich kann aber jeder Einzelne für sich verhandeln gehen, wenn er eine Gehaltserhöhung möchte. Was aber schon als Gefahr zu sehen ist: Der Druck auf einzelne Beschäftigte in der Branche kann steigen. Es könnte sein, dass einzelne Unternehmen Angestellte dazu bringen wollen, einen schlechteren Vertrag zu unterschreiben, dieser würde dann nicht mehr auf dem Kollektivvertrag, der bisher gilt, basieren. Außerdem brauchen wir für die Beschäftigten Rechtsicherheit. Wobei man auch sagen muss: Vieles, was Journalisten landläufig als Privilegien unterstellt wird, ist auch im Journalistengesetz von 1920 festgelegt. Etwa der Urlaubsanspruch, die Kündigungsfristen, aber auch die Quinquennien. Also Vorrückungen, die es in vielen Kollektivverträgen gibt, dort aber anders heißen. Was allerdings ohne KV nicht mehr festgesetzt wäre, wären die Prozentsätze. Der VÖZ kratzt hier an Regelungen, die der Gesetzgeber schon vor mehr als hundert Jahren festgesetzt hat.
Was wären in den von Ihnen erhofften Gesprächsrunden die wichtigsten Themen?
Ich weiß bis heute nicht, was der VÖZ wirklich möchte respektive am KV nicht mehr möchte – außer, dass es in der Aussendung hieß, dass manche Punkte nicht mehr zeitgemäß wären. Natürlich hat nicht nur der VÖZ Forderungen. Wenn es zu Gesprächen kommt, werden auch wir Punkte aus dem KV zu Themen machen, etwa jene, bei denen man aktuell aufpassen muss, dass sie nicht anders interpretiert werden, als sie gemeint sind. Auch über Einstiegsgehälter werden wir sprechen müssen – diese sollen angeblich so hoch sein, aber wenn ich sie mir im Vergleich mit anderen Branchen ansehe, verstehe ich diese Aussage nicht. Und die Alten, die angeblich so teuer sind, wurden in vielen Medienhäusern dazu gebracht, Teilzeitverträge zu unterschreiben oder früher in Pension zu gehen. Das heißt: „Die Alten“, das sind längst nicht mehr viele. Und diese Leistungsträger sollten auch nicht gegen die Jungen ausgespielt werden. Aber am meisten ärgert mich, dass man nicht direkt mit uns über die geplante Kündigung gesprochen hat. Ich verhandle jetzt seit 30 Jahren den Kollektivvertrag – und das habe ich noch nie erlebt.
(Das Interview führte Theresa Steininger. Es ist in der aktuellen
„Journalist:in“ erschienen – Redaktionsschluss war der 18.10.23)
Sie möchten aktuelle Medien-News und Stories lesen und sich über Jobs, Top-Personalien und Journalistenpreise aus Österreich informieren? Dann bestellen Sie bitte unseren kostenlosen
Newsletter.
Sie haben Personalnews in eigener Sache oder aus Ihrem Medienhaus? Oder Ihnen ist in unseren Texten etwas aufgefallen, zu dem Sie sich mit uns austauschen wollen? Mailen Sie die Infos bitte an
redaktion@journalistin.at