Wie geht Cupal mit Angst um? Wie „funktioniert“ er im Krieg? Wie schützt er sich?
Salzburg/Wien – Tim Cupal ist der „Journalist des Jahres“. Eine
„Journalist:in“-Fachjury hat den ORF-Israel-Korrespondenten dazu Anfang Dezember gewählt. Im Interview mit Theresa Steininger spricht er über seine Arbeit im Krieg, seine Ängste und seine Familie:
… Was sind Dinge, vor denen Sie Angst oder zumindest Respekt haben?
Tim Cupal: Es gibt verschiedene Formen von Angst: Die – ich nenne sie mal – „nützliche“ Angst, wo das Unterbewusstsein auf Ungereimtheiten oder Stimmungen in der Umgebung oder in einer bestimmten Situation aufmerksam macht und wo man dann rechtzeitig reagieren kann. Das Gegenteil ist die Angst, die lähmt. Vor unmittelbarer Gewalt habe ich Angst, vor abstrakten Bedrohungen eher Respekt. Ein gutes Beispiel ist Fukushima. In der Nähe des Havarie-Kernkraftwerks wusste man, dass die Strahlenbelastung gefährlich ist, aber man hat es nicht gesehen, es waren damals schöne Frühlingstage.
Sie bestimmen selbst, wie weit Sie sich in Krisengebiete vorwagen. Wie wägen Sie hier ab? Wie können Sie die Gefahrenlage gut einschätzen?
Früher habe ich immer gesagt, ich mache stets das, was die ältesten Kollegen machen, weil die lange genug überlebt haben. Jetzt bin ich selbst einer der Älteren (52, Anm. d. R.). Es ist eine Mischung aus Einschätzung der Situation und Informationen von Menschen vor Ort. Im konkreten Fall verlasse ich mich immer auf meinen Kameramann. Yosi hat zwei Kriege als Soldat und drei als Reporter mitgemacht und kann die Situation am besten einschätzen. Er hat die Letztentscheidung.
… Gewöhnt man sich an Gefahr?
Gute Frage. Ich glaube nein. Jede Situation ist anders, jeder Mensch reagiert anders. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie schnell sich Menschen an Krieg gewöhnen können. Vielleicht ist gewöhnen das falsche Wort, eher anpassen. Die Sirenen und die Schutzräume sind hier in Israel Teil des Alltags … solange Grundbedürfnisse erfüllt werden können … störend, aber nicht existenziell bedrohlich. Krieg wird zur Normalität. Ganz anders natürlich in Situationen, wo der Krieg das tägliche Überleben bedroht, wie in weiten Teilen Gazas mit mehr als 70 Prozent Vertriebenen, die alles verloren haben, mit mangelhafter Versorgung.
Welche Situationen fanden Sie bisher in Israel besonders heikel?
Der 8. Oktober war gefährlich. Wir waren nahe Kibbuz Beeri und dem Gelände des Supernova-Festivals, in unmittelbarer Nähe war Gefechtslärm, überall waren Autowracks der Opfer und der Terroristen. Jede Fahrt in den Süden ist gefährlich, neun Sekunden hat man Zeit nach einer Raketenwarnung. Der Hügel in Sderot mit Blick auf Gaza, wo mein Kollege Nikolaus Wildner und ich Live-Einstiege gemacht haben, ist exponiert. Nach mehreren Kriegen und Katastrophen kann ich sagen, es ist immer eine Frage der Wahrscheinlichkeiten. Je mehr Risiken man ausschalten kann, desto sicherer ist man. Aber das heißt umgekehrt auch, je öfter und länger man in einem Kriegs- oder Krisengebiet ist, desto höher ist das Risiko. Das heißt, wir sind zwischen den Einstiegen immer an einen weiter entfernten Ort gefahren, um die Gefahr zu minimieren.
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