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News / Brigitte Handlos: „Die männlichen Aasgeier kommen zurück“
Brigitte Handlos (Foto: Helmut Spudich)
10.04.2024   Vermischtes
Brigitte Handlos: „Die männlichen Aasgeier kommen zurück“
Noch nie gab es so viele Frauen in den Chefredaktionen. Grund zum Jubeln, Frau Handlos?
Wien – Warum Frauen unterrepräsentiert sind, wie es zur Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern kommt und warum jetzt Journalistinnen wichtig sind, erklärt Brigitte Handlos – unter anderem Mitgründerin des Frauennetzwerks Medien – im „Journalist:in“-Interview mit Antje Plaikner.
 
Warum gibt es plötzlich so viele Frauen in den Chefredaktionen?
Brigitte Handlos: Wenn man genau hinsieht, ist es nicht so, denn in den einflussreichen Positionen sind Frauen weiterhin stark unterrepräsentiert. Und dabei meine ich etwa entscheidende Ressorts wie Innenpolitik und Wirtschaft. Genau in diesen Bereichen fehlen nach wie vor Frauen in relevanten Führungspositionen.
 
APA, „Profil“, „News“, „Kurier“, „Vorarlberger Nachrichten“, „Standard“ (noch) – überall Chefredakteurinnen?
Ich kann mich nur auf die jüngste uns zugängliche empirische Erhebung beziehen, und das ist jene des „Journalismus- Reports“ von 2020. Seither hat sich nicht so viel geändert. Das heißt, zwei Drittel der Spitzenpositionen werden von Männern und ein Drittel von Frauen besetzt und der Durchschnittsverdienst von Frauen in Führungspositionen liegt im Monat um 457 Euro unter jenem der Männer. Und hier reden wir von Vollzeitpensen. Das stimmt mich also nicht euphorisch.


Gibt es noch zu wenige an den wichtigen Schalthebeln, die zu wenig verdienen?
So kann man es sagen. Der Geschäftsführer des „Kurier“-Medienhauses war und ist mit einem Mann besetzt. Der „Kurier“-Chefredakteurin Martina Salomon Forte keine Frau. Apropos unterbezahlt: Beim Berufseinstieg verdienen gut ausgebildete Journalisten und Journalistinnen gleich viel. Im Laufe der Karriere öffnet sich die Gehaltsschere, weil Karenzzeiten weniger Karrieresprünge zulassen, weil Frauen noch immer zu wenig gut ihr Gehalt verhandeln und immer noch zu schwache Netzwerke entwickeln und in den Top-Führungspositionen immer noch mehr Männer sitzen und diese lieber unter sich bleiben.
 
Werden Frauen in Führungspositionen ärger torpediert?
Absolut, denn Journalistinnen in Top-Positionen sind, besonders im Netz, einem Wahnsinn ausgesetzt. Frauen werden auf sexistische Art und Weise runtergemacht, und je höher Frauen in der Hierarchie angelangt sind, umso schlimmer wird es. Ist auch klar, denn dann sind sie auch mächtiger und gefährlicher. Damit müssen Frauen erst einmal umgehen können. Männer hingegen werden selten auf diese Art runtergemacht.
 
Und doch sind mehr Frauen da. Sollen sie die maroden Medien retten, weil sie es billiger geben?
Auf jeden Fall. Wir beobachten das auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Pädagoginnen und Pädagogen. Sobald ein Berufsfeld an Renommee und Wirtschaftskraft einbüßt, kommen mehr Frauen ins Spiel, weil die Männer in andere imageträchtigere Bereiche wechseln, wo sie mehr verdienen. Die Krise befördert stets viele kompetente, fleißige Frauen an die Oberfläche. Aber sobald es wieder etwas zu verteilen gibt, kommen sofort die männlichen Aasgeier zurück.
 
Klingt fast nach den „Trümmerfrauen“ nach dem Zweiten Weltkrieg.
Genau, aber inzwischen haben wir schon ein bisschen dazugelernt. Ich erlebe viele junge Frauen, die selbstbewusst genug sind, die mehr auf das Gehalt achten und wechseln, wenn’s nicht passt. Und wenn es passt, lassen sie sich nicht mehr so leicht von einer Stelle verdrängen.
 
Wenn Frauen an den Hebeln sitzen, führen sie dann anders?
Sie organisieren gut, denn sie müssen mehr unter einen Hut bringen, haben deshalb weniger Zeit für Intrigen und Selbstdarstellung als Männer. Ich denke, sie arbeiten sachorientierter und zeitökonomischer, weil sich für Frauen sonst nicht alles ausgeht. Ich glaube zwar, dass Frauen die besseren Führungskräfte sind, beweisen kann man es wohl erst, wenn die Aufteilung in den Führungsjobs bei 50 zu 50 ist.
 
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