Der vom „Standard“ ausgelöste Fall Schilling spaltet die Branche wie kaum etwas zuvor. Es gibt aber zudem einen Fall „Standard“ und viele Fragen – auch über Gerold Riedmann.
Wien – Während der „Standard“ beim
European Publishing Congress in Wien die Zusammenführung der bisher getrennten Workflows für Print und Online präsentierte und seine Chefs beim Heurigen des Zeitungsverbands ziemlich entspannt wirkten, spaltet der vom „Standard“ ausgelöste Fall Schilling die Branche wie kaum etwas zuvor. Es geht dabei grundsätzlich um die Abwägung von Persönlichkeitsschutz, öffentlichem Interesse und der Tragfähigkeit von anonymisierten Informanten. In weiterer Folge stehen dahinter Fragen, ob die traditionellen journalistischen Ethikregeln für die neuen digitalen Rahmenbedingungen ausreichen, angepasst, erweitert oder gar verändert werden müssen.
„Standard“-Chefredakteur Gerold Riedmann hat seine Beweggründe im Leitartikel „Was wollen wir in der Causa Schilling? Sagen, was ist“ dargelegt. Für ein Interview stand Riedmann nicht zur Verfügung.
„Österreichs Journalist:in“ hat dann Fragen an die Redaktion per E-Mail formuliert und Antworten erhalten. Was offen blieb, versuchen wir selbst zu beantworten, schreiben Köksal Baltaci und Peter Plaikner.
1. Welche Rolle spielt Riedmann im Fall Schilling?
Geradezu weltberühmt im Ländle wurde Gerold Riedmann aber, als er als Chefredakteur die der regionalen Volkspartei nicht allzu fern geltenden VN auf Konfrontationskurs zu Landeshauptmann Markus Wallner steuerte. Der Rollenwechsel geschah infolge eines Inseratenskandals um Wirtschaftsbund und -kammer, bei dem auch Russmedia Nutznießer war. Die VN warfen Wallner aufgrund der eidesstattlichen Erklärung eines anonymisierten Managers persönliche Einflussnahme vor. Kurz darauf nahm der Politiker zwölf Wochen Burnout- Pause. Erst ein Jahr danach stellte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein. Die Zeitung wahrte das Redaktionsgeheimnis und verriet ihren Informanten nicht.
Quellenschutz ist essenziell für einen im demokratiepolitischen Sinne kontrollierenden Journalismus. Doch von der Wallner-Beschuldigung blieb ein dreifaches „Gschmäckle“. Sie hat den Landeshauptmann, die Zeitung und ihren Chef beschädigt. Kenner des politmedialen alemannischen Kleinbiotops sagen, seit der Affäre vor zwei Jahren sei das Arbeitsleben dort für Riedmann deutlich schwieriger geworden. Wohl auch deshalb will er den Fall von damals keinesfalls mit der Causa Schilling vergleichen und gibt auch kaum Interviews dazu. Dass ihm der Scoop nur einen Monat nach dem Einstieg beim „Standard“ zupasskam, darf dennoch vermutet werden. Stärker kann ein Neuer sein Revier kaum markieren.
Spekulative Überlegungen dazu weist er allerdings weit von sich. Auf die per E-Mail gestellte Frage, was er zu Ansichten sage, die Schilling-Story sei auch der Start einer Neu- oder Doppelpositionierung in Bezug auf ihre grünen Stammleser, antwortet er: „Wenn Journalisten von Politikern der Belästigung bezichtigt werden, ist das ein Vorwurf, der die Kraft hat, Journalisten aus ihrer Funktion zu befördern, und nicht verschwiegen werden kann. Das hat mit Berichterstattung zu tun, nicht mit strategischen Überlegungen. Wenn Informationen über Politikerinnen oder Politiker an uns herangetragen werden, agieren wir immer gleich, unabhängig von der Partei der Betroffenen: wir prüfen die Informationen und beurteilen ihre öffentliche Relevanz.“
Riedmann geht aber nicht ein auf die Erläuterung zur Frage: „Es fällt auf, dass entgegen der digitalspezifischen Eigendynamik die Artikel in der Printausgabe äußerst zurückhaltend verkauft wurden. Zum Beispiel nur ein nichtssagender Vierzeiler auf Seite eins als Anriss für die erste Story.“ Stattdessen lässt er die Schilling-Aufdecker Katharina Mittelstaedt und Fabian Schmid assistieren: „Die Vorstellung, dass die Chefredaktion oder der Verlag eine bestimmte Recherche aus Positionierungsgründen anregt oder gar beauftragt, ist nicht nur absurd, sondern widerspricht dem Verständnis von kritischem Journalismus, das der gesamte ,Standard‘ pflegt, konträr.“ In den Fragen war aber nie ein Vorwurf von Anregung oder Beauftragung gefallen.“
2. Wie kam es zur Schilling-Story und seit wann recherchiert der „Standard“?
3. Wie ist derzeit die Stimmung in der „Standard“-Redaktion?
4. Wer ist eigentlich Gerold Riedmann?
5. Wie wird Riedmann den „Standard“ weiterentwickeln?
6. Wofür steht der „Standard“?
7. Wie geht es dem „Standard“ wirtschaftlich?
8. Wie sind die personellen Neuzugänge beim „Standard“ einzuordnen?
9. Was sagt der Presserat?“
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