24 Millionen Euro Verlust in der Zwangsgemeinschaft mit dem „Kurier“ und der Abbau von 40 redaktionellen Stellen gehen über die Schmerzgrenze der „Krone“. Sie setzt auf Kurskorrektur – bei sich und für die Mediaprint.
Wien – Das hausinterne Kürzel lautet GAS. Es hat nichts mit Energie aus Russland zu tun, stand aber zuletzt unter einem ebenso schlechten Stern. Am Krampustag 2023 wurde im Gesellschafterausschuss der Mediaprint ihr achtstelliges Minus offiziell. Seit Mai stehen die 23,65 Millionen Euro Bilanzverlust auch im Firmenbuch, während die Umsatzerlöse erstmals unter 400 Millionen gesunken sind. Der GAS vom 12. Juni im Finale des zur Jahresmitte endenden Geschäftsjahres läutete dann den Umkehrschwung ein, analysiert Peter Plaikner in der aktuellen
„Journalist:in“. Doch er wurde überschattet vom Tod der Witwe des „Krone“-Neugründers: Hans Dichands († 2010) Frau Helga (87) starb in der Nacht nach der Sitzung.
Das bedeutet aber keine Vertagung der wichtigsten Veränderungen in Österreichs größtem privaten Medienhaus, das gemeinsam von „Krone“ und „Kurier“ betrieben wird – obwohl die Verstorbene eine indirekte, aber in ihrem Einfluss unterschätzte Mitgesellschafterin des komplizierten Konstrukts war. Mit 12,5 Prozent der „Krone“ agierte sie hinter den Kulissen auch familienintegrativ für ihre Kinder Michael, Johanna und Christoph, die jeweils den gleich hohen Anteil halten. Letzterer hatte schon nach Pfingsten öffentliche Erinnerungen an die Elterngeneration geweckt. Der Nachfolger als Herausgeber und Chefredakteur nutzte das vom Vater mitunter verwendete Pseudonym Aurelius für einen Frontalangriff auf die Berichterstattung des „Standards“ zur grünen Europawahl-Kandidatin Lena Schilling: „Wäre es nicht ein lachsrotes Blatt, das hier alles verbreitet, hätten wir schon längst das Wort ,Kampagnen- Journalismus‘ vernommen.“ Fazit: „Eigentlich wäre das ein Fall für den Presserat!“
Annäherungsversuch an Branchen-Standards
Gleich nach diesem Kommentar wurde bekannt, dass auch die „Krone“ 40 Stellen abbaut – wie zuvor schon der „Kurier“. Not macht erfinderisch. Aurelius’ Wink mit dem Presserat kann auch als Annäherungsversuch verstanden werden. Denn Österreichs meistgelesene Tageszeitung ist als einzige der zwölf verbliebenen Vertreter ihrer Medienart kein Mitglied dieses Vereins zur freiwilligen Selbstkontrolle, der von den wichtigsten Journalistenund Verlegerverbänden getragen wird. Doch sie wurde von ihm am öftesten wegen Verstößen gegen ethische Regeln gemahnt. So wie in Richtung Austria Presse Agentur (APA), der sie ebenfalls als einziges „Daily“ fehlt, streckt die „Krone“ aber auch längst zum Presserat vorsichtig ihre Fühler aus. Oberösterreich-Chefredakteurin Alexandra Halouska ist Mitglied in seinem Senat 2. (Das Schilling-Verfahren behandelte der Senat 1.)
Rund um GAS und Stellenabbau mehrten sich die Zeichen, dass Dichand mit der Devise „Freiheit und Demokratie“ einerseits die „splendid isolation“ aufgeben wolle, die für das weltgrößte Kleinstformat über Jahrzehnte prächtig funktioniert hatte. Der hehre Anspruch signalisierte aber nicht nur stärkere Integration in die Branche, sondern wohl auch Führungsanspruch. Das ist zudem unter dem Aspekt zu verstehen, dass die von den Dichands verachteten Fellners mit ihren Blättern nicht dem Zeitungsverband (VÖZ) angehören. Ablehnungsgrund: Nur Kauftitel gehören zu diesem Klub. Das betrifft zudem das Gratisblatt „Heute“ von Eva Dichand, der Ehefrau von Christoph. Doch der VÖZ lässt auch „Österreich“ nicht hinein, die Kauftageszeitung der Fellners.
Mehr Markenstärke und weniger Mediaprint
Die vermutbare Annäherung der Dichands an verschiedene Branchen-Standards geschieht allerdings kaum aus Rivalität zur Boulevard-Konkurrenz, sondern für den Wettbewerb mit den globalen, digitalen Tech-Riesen. Instagram, Youtube und Tiktok zwingen zum Zusammenrücken. Das gälte auch innerhalb der Mediaprint über die verfreundeten Partner „Krone“ und „Kurier“ hinaus. Doch beide betrachten das gemeinsame Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen zunehmend als Fehlkonstruktion. Deshalb hat der GAS letztlich eine stärkere Eigenständigkeit der Partner beschlossen: Formal wird dies deutlich durch die künftige Verantwortung der jeweiligen Verlagsgeschäftsführer für Leser- und Werbemarkt von „Krone“ und „Kurier“. Bisher gab es die Trennung, dass sämtliche Print- und die digitalen Abo-Erlöse in die Mediaprint flossen, die digitalen Werbeerlöse jedoch in die jeweiligen Digitaltöchter beider Titel. Das bewirkte einerseits Verzerrung und war andererseits ein Unding, wenn ein Klick auf den Content den ersten Schritt zum Abo bewirken soll – worüber sich alle einig sind. Mehr Eigenverantwortung der Verlage bedeutet auf Dauer ein Zurückfahren der Mediaprint zum reinen Dienstleister.
Wichtigster Hintergrund dieser Absichten ist die aus Perspektive des größeren Kleinformats „Krone“ ungerechte Geldverteilung in der Mediaprint, zu deren aktuellem Jahresumsatz es rund 290, der Döblinger Nachbar „Kurier“ aber nur knapp 70 Millionen Euro beiträgt. Doch zur Finanzierung der Redaktionen, dem sogenannten Agendum, holte sich der „Kurier“ 40, die „Krone“ nur 15 Prozent aus dem gemeinsamen Topf zurück. Dieser gefühlt ewige Streit zwischen den Verlagen soll nun mit einem neuen Schlüssel bereinigt werden.
– Zwei Familienfirmen und eine Bankbeteiligung
– Benkos Anteile und Dichands Vorab-Gewinne
– Das Verbindende vor das Trennende stellen
– 37 Prozent weniger Papierverkauf als vor 15 Jahren
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