Wie sie gegen ihre Kündigung durch den ORF protestiert. Und was der VGH damit zu tun hat.
Wien - Sie sei wiederholt unter Druck gesetzt worden. Als sie sich gegen konzertierte Einflussnahme wehrte, sei sie zuerst versetzt und dann laut KV gekündigt worden: Sonja Sagmeister fordert vom ORF die Rücknahme ihrer Kündigung und ihre Wiedereinstellung. Am 9. und 10. Oktober wird darüber vor Gericht verhandelt.
„Alles andere als ein Einzelfall“
Für Sagmeister ist es eine Causa rund um Pressefreiheit im ORF-Newsroom. Ein wichtiger Punkt in diesem Fall sei der Versuch, sie in Hinsicht eines Interviews mit Wirtschafsminister Martin Kocher beeinflussen zu wollen. Sie aber stellte damals kritische Fragen. Die Folge seien ab diesem Zeitpunkt „arbeitsrechtliche Schikanen“ und eine vorübergehende Weigerung gewesen, sie in der üblichen Dienstplanung zu berücksichtigen, beschreibt Sagmeister. Schließlich wurde sie ins „Todesarchiv“ versetzt, wo sie Nachrufe vorbereitete. Dagegen klagte sie und wurde gekündigt. „Es kann doch nicht sein, dass jemand, der an freiem Journalismus und faktenbasiertem Arbeiten festhält, am Ende dafür bestraft wird“, sagt sie im Interview mit journalistin.at.
Sagmeister geht nun davon aus, dass ihre Kündigung überzogen war, während der ORF die Vorwürfe zurückweist. Gegenüber Medien spricht der ORF „von dienstrechtlichen Verfehlungen“.
Sagmeister möchte eine Rücknahme der Kündigung erreichen. Für sie sei dies „alles andere als Einzelfall. Hier werden systematisch Frauen im ORF nicht ernst genommen und diskriminiert, wenn sie interne Missstände ansprechen. Und ich kämpfe für alle Redakteure dafür, dass wir auch künftig frei Fragen stellen dürfen – und dass es der Personalabteilung nicht so leicht gemacht wird, jemanden, der für unsere journalistischen Mindeststandards und gegen Einflussnahme kämpft, kalt zu stellen. Ich distanziere mich klar von einer Art von Journalismus, wie sie mir von Vorgesetzten nahegelegt wurde.“
KommAustria und VGH
Eine weitere, bisher wenig beleuchtete Komponente war Sagmeisters Beschwerde bei der KommAustria, die vorerst zurückgewiesen wurde. Nun befasst sich der VGH am 14. Oktober damit, habe doch die KommAustria sich darauf berufen, dass Sagmeister nach Verstreichen einer Frist Beschwerde eingelegt habe. „Man kann davon ausgehen, dass der ORF die Fristen kannte, die viel zu kurz gesetzt sind, und hat daher die Sache in die Länge gezogen“, sagt Sagmeister. „Unserer Meinung nach ist hier eine Gesetzeslücke, da gerade methodische Nachteile oft über längere Zeit stattfinden – es wird also nun in zweiter Instanz nochmals aufgerollt, ob die Sache wirklich verfristet gewesen sein kann.“
Übrigens hat die Zeitschrift „Dossier“ kürzlich unter Verweis auf einen internen Bericht des ORF aufgedeckt, dass fast 50 ORF-Redakteur angegeben haben, „seit Jahren unter politischer Einflussnahme gelitten und lange geschwiegen zu haben“. Sagmeister bekommt derzeit von Kolleginnen und Kollegen zwar verbalen Zuspruch, allerdings nur in privaten Anrufen: „Offiziell schweigen alle laut“, sagt sie. „Man hat an mir ein Exempel statuiert, was es bedeutet Missstände um innere Pressefreiheit zu kritisieren.“
Sonja Sagmeister war jahrelang EU- und NATO-Korrespondentin für den ORF. Als Investigativjournalistin hat sie sich rund um die Causen Alyiev, Hypo Alpe-Adria, BUWOG und den AMIS Anlegerbetrugsskandal einen Namen gemacht. Zudem moderierte sie zeitweise die ORF „Pressestunde“. Sie ist Autorin von internationalen Sachbüchern zur Finanzkrise („Nachkrisenzeit“) und zu Medienthemen („Breaking News“) und befasst sich in ihrer Freizeit mit Entwicklungshilfe in Afrika.
Sie möchten aktuelle Medien-News und Stories lesen und sich über Jobs, Top-Personalien und Journalistenpreise aus Österreich informieren? Dann bestellen Sie bitte unseren kostenlosen
Newsletter.
Sie haben Personalnews in eigener Sache oder aus Ihrem Medienhaus? Oder Ihnen ist in unseren Texten etwas aufgefallen, zu dem Sie sich mit uns austauschen wollen? Mailen Sie die Infos bitte an
redaktion@journalistin.at