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News / Fach- oder Führungskraft? Zu wem welcher Karriereweg besser passt
Attila Albert (Foto: T. Ramsey)
31.10.2024   Jobs
Fach- oder Führungskraft? Zu wem welcher Karriereweg besser passt
Beide haben ihre Vor- und Nachteile, meint Karrierecoach Attila Albert. Er sagt, für welche Medienprofis langfristig welcher Berufsweg am besten passt.
Salzburg – Wenn sich Medienprofis beruflich etabliert haben und weiterentwickeln wollen, stehen sie bald vor einer Grundsatzfrage: Soll es als Fach- oder Führungskraft weitergehen? Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile. Ein Chefreporter etwa könnte seine Tätigkeit weiter ausüben, weil er gern draußen unterwegs ist, recherchiert und schreibt – und sich auf eine Gehaltserhöhung, einen größeren Arbeitgeber oder eigene Projekte konzentrieren. Oder den Aufstieg zum Ressortleiter anstreben, mehr verdienen, dafür aber zukünftig weitgehend in der Redaktion bleiben müssen: Themen planen, Mitarbeiter führen, Texte redigieren.
 
Das Beispiel zeigt, dass der Aufstieg zur Führungskraft keineswegs das natürliche, quasi unausweichliche Ziel für jeden ambitionierten Medienprofi ist. Im Gegenteil: Fast jeder hat schon Führungskräfte kennengelernt, die ihrer früheren Fachtätigkeit noch Jahre später hinterhertrauerten und die der Zuwachs an Einkommen und Einfluss insgesamt nicht glücklicher gemacht hat. Besser stellt man sich die Entscheidung zwischen einer Fach- oder Führungskarriere daher als Wahl zwischen unterschiedlichen Berufswegen vor. Einer ist nicht besser als der andere, sondern muss zur eigenen Persönlichkeit passen.

Unterschiedliche Tätigkeitsprofile
Auch wenn sich Fach- und Führungspositionen in der Praxis überschneiden – praktisch keine Führungskraft unterhalb von Vorstand und Geschäftsleitung kann sich ausschließlich Führungsaufgaben widmen –, gibt es wesentliche Unterschiede.
 
– Fachkräfte sind Spezialisten mit Fachkenntnissen und -fertigkeiten, z. B. im redaktionellen, technischen, organisatorischen und kaufmännischen Bereich. Sie verantworten die Planung und Organisation und beaufsichtigen Arbeitskräfte in ihrem Bereich. Gemäß einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit (PDF) haben sie mehrheitlich eine Berufsausbildung und sind im Schnitt vier Jahre älter als der Durchschnitt der Beschäftigten. Tendenziell arbeiten sie inhaltlich konkret und operativ, weshalb sich dieser Bereich für Macher eignet, die bevorzugt selbst mitarbeiten und zeitnah praktische Ergebnisse sehen wollen.
– Führungskräfte sind dagegen Experten für komplexe Leitungsaufgaben, wie sie ebenso in allen Bereichen (Redaktion, Technik usw.) anfallen. Dazu gehören die Verantwortung für die Zielsetzung, Budget- und Ressourcenplanung, Personalrekrutierung und -führung sowie Prozess- und Qualitätsmanagement. Führungskräfte haben mehrheitlich einen akademischen Abschluss und sind im Schnitt sechs Jahre älter als die Belegschaft. Sie arbeiten tendenziell abstrakt und strategisch, weshalb sich dieser Bereich eher für Denker eignet, die langfristig planen und die praktische Umsetzung delegieren können.  



Führungskräfte oft voll operativ eingeplant
In der Praxis kommt diese scharfe Trennung allerdings selten vor. Deswegen ist die erste Führungsposition für viele junge Medienprofis eine Enttäuschung, zumindest aber eine Herausforderung: Sie stellen fest, dass sie bereits voll für operative Aufgaben ("Tagesgeschäft") eingeplant sind. Führen sollen sie nebenbei. Der Ausweg liegt hier darin, einen realistischen Zeitanteil für Führungsaufgaben (z. B. Strategien, Konzepte, Mitarbeitergespräche) mit dem Vorgesetzten abzusprechen, in der Zielvereinbarung festzuhalten und durchzusetzen. Das erfordert, mehr intern und extern zu delegieren.
 
Eine weitere Entwicklungsaufgabe für Führungskräfte ist das Finden des persönlichen Führungsstils. Wer sich erstmals mit unterschiedlichen Ansätzen dafür beschäftigt, geht oft noch davon aus, dass manche zwingend besser als andere sind. Dass etwa eine moderne Führungskraft selbstverständlich "partnerschaftlich" und "kooperativ" führen müsse. Das trifft allerdings nicht zu. Jeder Führungsstil hat seine Vor- und Nachteile und muss langfristig zur herrschenden Unternehmenskultur sowie zur eigenen Persönlichkeit passen. Gibt es hier starke Wertekonflikte, ist die Fachkarriere der passendere Weg, alternativ der Wechsel zu einem Arbeitgeber, der das Führen nach eigenem Verständnis erlaubt.


Unnötigen Karriereknick verhindern
Immer wieder kommt es allerdings vor, dass erfolgreiche Fachkräfte unüberlegt in eine angebotene Führungsposition wechseln. Sie sind verständlicherweise stolz auf die darin ausgedrückte Wertschätzung, freuen sich über den hierarchischen und finanziellen Aufstieg, stellen sich aber als ungeeignet für eine Führungsposition heraus. Beispiel: Eine bisherige Chefkorrespondentin arbeitete gut und gern allein, muss sich nun aber als Ressortleiterin vor allem ihrem Team mit seinen ständigen Problemen und Sorgen widmen. Recherche und Schreiben waren ihre Stärken, Kommunikation und Delegieren sind es nicht. Solch eine Situation kann zu einem Karriereknick führen, der vermeidbar gewesen wäre.
 
Zwar bieten die meisten Medienhäuser Vorbereitungskurse für angehende Führungskräfte an, und tatsächlich ist Führen zu einem großen Teil reines Handwerk. Aber die eigene Persönlichkeit verändern derartige Seminare nicht, ebenso nicht die grundlegenden Präferenzen. So liegt es in der Verantwortung jedes aufstrebenden Medienprofis, Selbsterforschung und Recherche zu betreiben, um den passenden eigenen Weg zu finden. Fachkarrieren sind weniger präsent oder erscheinen oft als zweite Wahl. Doch selbstbestimmter Erfolg kann auch bedeuten, bewusst nicht der Chef werden zu wollen.
 
Zu einer vergangenen Kolumne: So finden Medienprofis heraus, was ihnen beruflich wichtig ist
 
Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.
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