Ein Gespräch über Hartnäckigkeit, investigative Recherche und die „verästelten Möglichkeiten zur Machtausübung und Einflussnahme bei vielen österreichischen Medien“ mit dem Kultur-Ressortleiter der OÖN.
Linz – „Ich bin seit mehr als 30 Jahren Journalist und etwas derart Haarsträubendes habe ich von politischer Seite bisher weder erlebt noch gehört“, sagt Peter Grubmüller, Kultur-Ressortleiter der OÖN, über die Causa Luger, die er aufgedeckt hat im
„Journalist:in“-Interview mit Köksal Baltaci. 3 Fragen:
Sie haben die „Causa Luger“ aufgedeckt – unter anderem mit der Folge, dass Bürgermeister Klaus Luger letztlich zurückgetreten ist. Wie haben sich die Recherchen gestaltet?
Peter Grubmüller: Da müssen wir bis ins Jahr 2016 zurückgehen. Damals im Oktober wurde bekannt, dass der dereinst amtierende Brucknerhaus-Chef Hans- Joachim Frey nach Sotschi in Russland wechseln würde, um dort ein neu entstehendes Kulturzentrum zu leiten. Wenige Wochen danach startete die Ausschreibung und nach etlichen Telefonaten waren mir die wesentlichen Kandidaten für die Nachfolge bekannt. Völlig unbekannt dagegen war bis dahin Dietmar Kerschbaum, den man nicht auf der Rechnung haben konnte, weil er außer seinem Jopera- Festival in Jennersdorf, das ausschließlich im entlegenen Osten Österreichs eine gewisse regionale Bekanntheit erlangt hatte, nicht als Kulturmanager in Erscheinung getreten war. Mir fiel damals auf, dass der Bürgermeister die damalige Hearing-Kommission nach seinen Vorstellungen umbesetzen ließ. So wurden verdiente Experten, Dirigenten und Musiker ausgeladen, stattdessen schien plötzlich unter anderen die ehemalige Opernsängerin Brigitte Fassbaender in der Kommission auf, die 2015 für Kerschbaum in Jennersdorf den „Freischütz“ inszeniert hatte. Ich habe noch am Tag von Kerschbaums Bestellung im Februar 2017 Bürgermeister Klaus Luger und Frau Fassbaender angerufen. Es hieß, Luger kenne Kerschbaum nicht, sie seien einan der noch nie begegnet – und Fassbaender sei eine über jeden Verdacht erhabene Koryphäe. Ich habe den Verdacht der Befangenheit und der vermeintlichen Nähe dennoch mehrfach in den OÖN formuliert und kommentiert. Im Laufe der Zeit bröckelte das gute Verhältnis Lugers zu Kerschbaum. Am 17. September 2022 entzündete sich die schwelende Stimmung, als Kerschbaum im OÖN-Interview sagte, er müsse bei den politischen Verantwortlichen die Systemrelevanz der Kultur ständig erbetteln. Über all die Jahre habe ich Luger und Kerschbaum mehrfach darauf angesprochen, woher und warum sie sich seit Jahren kennen würden – beide leugneten ihre langjährige Bekanntschaft.
Wie ging es im Frühjahr 2024 weiter?
Ich habe im Sommer 2023 exklusiv darüber berichtet, dass Daniel-Frédéric Lebon von der Musikagentur „Opus 3“ nun auch als „Doppelagent“ im Brucknerhaus arbeiten würde, nachdem Dramaturg Jan David Schmitz das Haus wegen Querelen mit Kerschbaum verlassen hatte. Die Stadt Linz hat sich darum – wie auch seit einigen Jahren um das Brucknerhaus – nicht gekümmert. Ich habe zudem erfahren, dass Kerschbaum die Fragen für das Hearing 2017 zugespielt worden sein sollen. Kerschbaum und Luger wurden von mir mit dieser ansonsten nicht belegbaren Information konfrontiert. Luger reagierte empört darauf. Ich berichtete nicht darüber, weil ich es eben nicht beweisen konnte. Ich konzentrierte mich fortan auf die Verflechtungen von Kerschbaum und seinem Beratungsunterneh men PannArt, von dem er seine zweite Gesch.ftsführerin als Produktionsleiterin bei der vom Brucknerhaus organisierten Linzer Klangwolke installiert hat. Absurderweise kam die Hearing-Sache dann über Whistleblower zum „Falter“ und ehe Kerschbaum freigestellt wurde, hatte der Bürgermeister ein Gutachten quasi auf der Suche nach sich selbst in Auftrag gegeben.
… Ihre Hartnäckigkeit hat sich dennoch ausgezahlt …
In dieser zeitlichen Umgebung wurden mir von Informanten sowohl der nicht öffentliche Bericht des Linzer Kontrollamts als auch die ebenfalls nicht öffentliche Compliance-Untersuchung der Wirtschaftsagentur KPMG zugespielt, die vom Bürgermeister jeweils als Indizien- Sammlung gelesen wurde, um Kerschbaums Entlassung möglichst preiswert zu rechtfertigen. Luger hatte sich davor geweigert, dem Liva-Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender er war, die Verträge von Kerschbaum vorzulegen. Über all die Jahre wusste demnach nur Luger, was er Kerschbaum an Rechten und Nebengeschäften gestattet und bezahlt hatte. Mir ist zwar schleierhaft, wie man unter solchen Knebel-Bedingungen weiterhin Aufsichtsratsmitglied bleiben kann, aber auf Druck der OÖN-Berichterstattung hat Luger dann doch Einsicht in die Verträge gewährt – freilich nicht, ohne vorher relevante Zahlen zu schwärzen. Irgendwann im August wurden mir schließlich die alles belegenden Chats übermittelt. Der Rechtsanwalt von Dietmar Kerschbaum hat die Richtigkeit der Chats eine Stunde vor Ablauf meiner gesetzten Frist bestätigt. Luger ließ wissen, er brauche eine Fristverlängerung um zwei Stunden bis 17 Uhr, um danach eine Presseaussendung zu verschicken. Er wollte eine kontrollierte Sprengung gewährleisten.
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