„Falco hätte einen Podcast gehabt“ – Anna Wallner über fehlende Innovationen auf dem österreichischen Podcast-Markt
Beim Thema Podcast wiederholt sich in Österreich, was schon beim Privatfernsehen der Fall war – es dominieren die Angebote aus Deutschland, schreibt die Audio-Chefin der „Presse“.
Wien – Pod me Amadeus: Beim Thema Podcast wiederholt sich in Österreich, was schon beim Privatfernsehen der Fall war – es dominieren die Angebote aus Deutschland, schreibt Anna Wallner, Audio-Chefin der „Presse“. Im Gastbeitrag für die
turi2 Podcast-Wochen vermisst sie das „Selbstbewusstsein, sich etwas Neues zu trauen“. Bisher fänden österreichische Produktionen in Deutschland nur wenig Gehör, auch die österreichischen Promis seien bei Podcasts sehr still. Ein Grund dafür sei auch der ORF, der nichts ausspielen darf, was nicht vorher im linearen TV oder Radio lief – und damit als innovative Kraft fehle. Wallner ist überzeugt: Sänger Falco, einer der wenigen Exportschlager Österreichs, hätte sicher einen Podcast gehabt.
Und Wallner weiter an das deutsche Publikum:
Österreich ist anders. Sie wissen schon: Die Berge sind höher. Die Politik ist verrückter. Und die Küche (Entschuldigung!) ist besser. Dennoch schaut das kleine 9-Millionen-Land zu Recht oft neidisch oder anerkennend hinauf zum großen Nachbarn Deutschland und klaut sogar hie und da die besten Ideen. Die Stadt Wien hat sogar vor einigen Jahren die „Wiesn“ kopiert. Das muss man sich erst einmal trauen.
Aber gut, ich schweife ab. Österreich ist anders – und zwar auch in Audiobelangen. Es gibt zwar je einen Podcast über unsere verrückte Politik (allerdings kommt
Inside Austria zur Hälfte aus dem deutschen Verlagshaus des „Spiegel“), die Berge (
Bergwelten – Höhen und Tiefen aus dem Red Bull Media House), aber zum Beispiel keinen nennenswert bekannten über die Küche.
Und da sind wir schon beim Problem: Richtig erfolgreich im Podcast-Markt ist bei uns sehr häufig nur das, was aus Deutschland (und hie und da: den USA) zu uns schwappt. Natürlich, es gibt auch in Österreich einen wachsenden Podcast-Markt, der Boom begann kurz vor oder eigentlich mitten in der Pandemie. Fast alle Tageszeitungen haben einen etablierten Nachrichten-Podcast (an dieser Stelle gehört wohl jetzt der Disclaimer: ich bin eine der Gastgeberinnen des Podcasts
Was wichtig wird der „Presse“) und ein wachsendes Portfolio an Shows.
Es gibt auch einige wirklich außergewöhnliche Produktionen: Das lustige
Drama Carbonara, Baby, in dem ein Frauen-Trio mit wechselnden Gästen Geschichten aus diesen albernen romantischen Heftchen vorliest und sogar eine treue Fan-Base in Deutschland hat. Das informative
Erklär mir die Welt, eine Art Lexikon zum Hören, war 2017 einer der ersten originären Podcasts und ist bis heute sehr erfolgreich.
Und die Reihe
Geschichten aus der Geschichte vom Historiker-Duo
Daniel Meßnerund
Richard Hemmer ist ja auch zur Hälfte ein österreichischer Erfolg. Das Hör-Fragespiel
Frauenfragen, in dem prominente Männer all jene lästigen Fragen zu Vereinbarkeit von Beruf und Familie und ihrem Aussehen gestellt bekommen, die sonst eben eher nur Frauen hören.
Apropos, die gute Nachricht: Ein besonderes Spezifikum des österreichischen Audiomarktes ist, wie auffallend weiblich und feministisch er von Anfang an war.
Kurz gesagt: Es gibt viele engagiert gemachte Podcasts, z.B. auch im Trendfach „True Crime“, aber in den Charts der reichweitenstärksten Podcatcher Apple und Spotify finden sich neben den Nachrichten-Podcasts vor allem deutsche Produktionen aus der Unterhaltungsecke.
Das liegt in erster Linie natürlich an der Bevölkerungszahl der beiden Länder, aber auf der sollten wir uns nicht zu sehr ausruhen. Denn der Audiomarkt zeigt uns: Österreichs Prominente sind besonders still.
Wir haben keine
Kaulitz-Brüder, kein
Lanz & Precht, kein
Fest & Flauschig, kein
Baywatch Berlin, keinen
Rezo und daher kein
Hobbylos und kein Comedy-Ehepaar wie
Hazel Brugger und Thomas Spitzer.
Nicht einmal das in Deutschland bekannte Duo
Dirk Stermann und Christoph Grissemann hat einen Podcast, dabei kommen die zwei Late-Night-Talker sogar vom Radio.
Generell fällt auf: Österreichs Podcast-Markt ist eher ernst, dabei sagt man den Österreichern einen guten oder sogar besseren Humor nach als den Deutschen. Wenn man von ein paar Ausreißern wie dem sehr erfolgreichen, sehr österreichischen
Hawi D’Ehre mit Sänger Paul Pizzera und zwei Radiomoderatoren von Ö3 absieht.
Aber ist das alles so schlimm? Zeigt es nicht, dass es zwischen Österreich und Deutschland kaum mehr Grenzen gibt, vor allem keine sprachlichen und wenn doch, werden die (auch) im Drei-Länder-Podcast
Servus. Grüezi. Hallo. der „Zeit“ abgebaut.
Mag sein, trotzdem wiederholt sich bei Podcasts das TV-Phänomen der 1990er Jahre: die Österreicher schauten deutsches Privatfernsehen, weil es hier bis 2003 (!) kein Privatfernsehen gab. Doch umgekehrt schaffte es nur so etwas Skurriles wie
Die Piefke-Saga aus Österreich in die deutschen Wohnzimmer.
Und heute? Hören Österreicher viele deutsche Podcasts, aber die Deutschen gruseln sich, wenn überhaupt, nur bei „Inside Austria“. Diese Entwicklung liegt damals wie heute auch an der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich.
Im Fernsehen der 1990er war der ORF der Platzhirsch, es gab bis 2003 eben nur FS1 und FS2. Heute darf der ORF per Gesetz nichts ausspielen, was nicht vorher im linearen TV oder Radio lief. Damit fehlt in diesem Segment eine innovative Kraft oder ein Vorreiter, so wie das in England die BBC und in Deutschland vor allem WDR oder NDR vorzeigen und die in diesen Bereichen einfach auch mehr Budget zur Verfügung haben.
Also, wo sind die Innovationen „Made in Austria“? Wo ist das Selbstbewusstsein, sich etwas Neues zu trauen? Wo ist der eine Podcast, der so anders und spannend ist, dass er auch über der Grenze viel gehört wird? Wo sind die lautstarken Zeitgenossen, die schon aufgrund ihrer Bekanntheit für Reichweite sorgen würden?
Falco, auch einer der wenigen großen Exportschlager aus Österreich, ja der hätte einen Podcast gehabt, da bin ich sicher. (Text aus 2022)