Die Zeitschrift „Das Wien“ hat mit Bezeichnungen wie „Posse“ und „Show“ über ihr Verschwinden berichtet. Der Senat 1 sieht Verstöße gegen den Ehrenkodex.
Wien – „Die Revolution frisst ihre Kinder - Journalisten müssen ‚sauber‘ sein“. So hieß ein Artikel, der in der Zeitschrift „Das Wien“ erscheinen ist und sich zuerst mit der Dissertation von Alexandra Föderl-Schmid, später aber auch mit ihrem Verschwinden auf „spezielle“ Art und Weise befasste. Dieser wurde nun vom Presserat beurteilt: Nach Auffassung des Senats 1 verstoße der Artikel gegen die Punkte 2.1 (Genauigkeit), 5 (Persönlichkeitsschutz) und 12 (Suizidberichterstattung) des Ehrenkodex für die österreichische Presse, heißt es in einer Aussendung.
Das Verschwinden der Journalistin im Vorjahr bezeichnete man in dem Artikel von „Das Wien“ als „oscarreife Inszenierung“, der Bericht legt nahe, dass Föderl-Schmid eine „Posse“ abgezogen habe, um von den Plagiatsvorwürfen abzulenken. Alle seien glücklich, dass sie sich nichts angetan habe, auch die Redaktion von „Das Wien“, aber diese habe im Unterschied zu anderen Medien nicht vergessen, „warum diese Show abgezogen“ worden sei.
Ein Leser wandte sich an den Presserat und kritisierte den Artikel als persönlichkeitsverletzend, faktenwidrig und Verstoß gegen das Gebot, über Suizide zurückhaltend zu berichten.
Der Presserat unterstrich, dass über Föderl-Schmid als Person öffentliches Interesses sehr wohl berichtet werden könne, verurteilte aber die Art und Weise: Abgesehen davon, dass man Formulierungen wie „Posse“ und „Show“ verwende, sehe das Medium in der Abgängigkeit von Föderl-Schmid anscheinend ein bewusstes Ablenkungsmanöver wegen der Plagiatsvorwürfe (wofür es keinerlei Anhaltspunkte gibt).
„Diese Schlussfolgerung, die soeben erwähnten Formulierungen, aber auch der höhnisch-bissige Unterton des Artikels insgesamt lassen die bei einem vermuteten Suizidversuch gebotene Zurückhaltung vermissen“, schreibt der Presserat. Darüber hinaus ist diese Herangehensweise aber auch als Persönlichkeitsverletzung gegenüber der zeitweilig vermissten Betroffenen einzustufen.
Schließlich wurde es im Artikel an manchen Stellen so dargestellt, dass Alexandra Föderl-Schmid sowohl bei ihrer Dissertation als auch im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit plagiiert und unsauber gearbeitet habe. Darin und in der Behauptung, dass es sich beim Verschwinden um ein gezieltes Ablenkungsmanöver handle, erkennt der Senat einen Verstoß gegen das Gebot des Punkt 2.1 des Ehrenkodex. Abschließend wird der Medieninhaber aufgefordert, die Entscheidung freiwillig im betroffenen Medium zu veröffentlichen oder bekanntzugeben.
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