Warum Chefreporterin Ute Baumhackl nervös ist.
Graz – Chefreporterin Ute Baumhackl schreibt in Ihrer
„Morgenpost“ für die „Kleine Zeitung“: Ist eine Zeitung ein „Scheißblatt“, wenn sie über politische Entgleisungen berichtet? Eher nicht. Das hat den Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp jüngst nicht davon abgehalten, dem Wiener „Standard“ offen zu drohen. „5 gute Jahre, wenn es mit diesem ,Scheißblatt‘ endlich vorbei ist“, schrieb er auf der Social-Media-Plattform X und schickte den Hashtag „#presseförderungnurnochfürechtequalitätsmedien“ hinterher. Der Anlass: Ein Bericht über einen FPÖ-Stammtisch in Wien-Simmering. Das französische Fernsehen hatte dort heimlich mitgedreht und das Material an die Zeitung weitergegeben.
Aufgezeichnet waren zwei FPÖ-Nationalräte, Harald Stefan und Markus Tschank, die bei dem Treffen die ÖVP als „jämmerlich“ und „machtgeil“ bezeichneten, freundliche Worte für die Taliban in Afghanistan fanden, böse gegen EU und Migranten – und die für die Abschaffung der Europäischen Menschenrechtskonvention plädierten. Nichts davon überrascht. Auch nicht, dass manche Aussagen selbstentlarvende Grenzverletzungen darstellen, wie mein Kollege Walter Hämmerle in seinem lesenswerten
Leitartikel darlegt.
Der wahrscheinliche Koalitionspartner ÖVP zeigt sich „befremdet“. Norbert Hofer, der für die FP für den burgenländischen Landtag kandidiert, wünscht sich trotz allem „ein gutes Verhältnis“ zum Koalitionspartner, sagte er uns im Interview. Sein Parteigenosse nimmt, anstatt abzuwiegeln, den Journalismus ins Visier.
Missliebigen Medien mit dem Entzug der Presseförderung zu drohen, könnte man natürlich als unbedeutende Fehltritte machttrunkener Hinterbänkler und Regionalrenommisten abtun. Aber medienpolitisch ist das bedeutsam, immerhin agieren klassische Medien – und bitte bleiben Sie wach, auch wenn Sie das schon so oft gehört und gelesen haben, dass eine große Morgenmüdigkeit Sie überfällt – als demokratisches Korrektiv. Man kann und soll sie kritisieren, aber man muss sich auch über den Zweck und das Ziel der Kritik Gedanken machen. Umso mehr, wenn sie aus einer Partei kommt, die dem Pressewesen zutiefst misstraut – und die demnächst die Medienpolitik dieses Landes gestalten wird.
Weil man als Journalistin ja immer im Verdacht steht, in Sachen Pressefreiheit bloß pro domo oder überhaupt im persönlichen Interesse zu sprechen, zitiere ich hier eine der integersten Persönlichkeiten dieses Landes, Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker. „Staatliche Förderungen sind Steuergeld. Sie sind nicht das Geld von Regierenden“, stellte sie via Social Media in der Causa fest. „Förderungen werden nach Richtlinien und objektiv nach ihrem Zweck vergeben. Und nicht, weil der/die Fördernehmer/in gerade gefällt oder nicht. So ist das.“
Zugegeben, ich bin nervös. Nicht wegen ein paar medienpolitischer Rülpser in Österreich, bei uns kann man, meine ich, einer halbwegs stabilen Medienszene und einer wachen Öffentlichkeit vertrauen. Aber den medialen Umbau der Welt andernorts finde ich beunruhigend. Facebook/Meta stellt in den USA seine Faktenchecks ab, das wird in den sozialen Medien auch jenseits von Amerika mehr Falschinformation, Verschwörungstheorien, Desinformationskampagnen bewirken. Dabei ist der digitale Wildwuchs nicht nur politisch brenzlig. Manchmal wirkt er sich auch privat verheerend aus. In Frankreich hat sich eine begüterte Frau via Social Media in eine Fernbeziehung mit dem Hollywoodstar Brad Pitt hineinfantasiert und einem Scammer fast eine Million Euro überwiesen. Sie hätte besser Zeitung gelesen.