Please wait...
News / In Österreichs Redaktionen sitzen lauter Linke – und rücken weiter nach links
(Illu: KI-generiert)
03.04.2025   Vermischtes
In Österreichs Redaktionen sitzen lauter Linke – und rücken weiter nach links
Österreichs Journalistinnen und Journalisten sehen sich selbst in einer Befragung links der Mitte. Das macht aber nichts, sagen Wissenschafter. Wie das?
Wien – Links der Mitte: So positioniert sich ein Großteil der Journalistinnen und Journalisten in Österreich. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie in der international vergleichenden Befragung „Worlds of Journalism“. Sie wurde in den vergangenen Jahren drei Mal durchgeführt und deren aktuelle Ergebnisse werden nun im Laufe des Jahres 2025 publiziert, berichtet Theresa Steininger in der aktuellen „Journalist:in“. Dabei wurden unter 856 heimischen Journalistinnen und Journalisten auch Daten zu Geschlecht, Alter, Ausbildung, Herkunft, Konfession und weiteres mehr abgefragt. Am auffälligsten ist dabei das Ergebnis zur politischen Einstellung. Und das nicht nur in Österreich. Auch in der Schweiz gaben beispielsweise 76 Prozent der Befragten an, stärker linksorientiert zu sein. In Österreich war der Mittelwert der Befragten 3,6, wobei 0 links und 10 rechts entsprach.


Doch Josef Seethaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der die heimische Befragung mit Kollegen von der Universität Klagenfurt und Wien gemeinsam auswertet, mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen: „Dieses Ergebnis ist schwierig zu beurteilen. Die Variable wird zwar gerne abgefragt, ist aber die am wenigsten valide. Eigentlich bräuchte es hier eine detailliertere Untersuchung, um dies seriös zu belegen.“ Nicht nur, dass nicht alle Befragten eine Antwort bei diesem Thema gaben. Die Frage sei auch, wie viel hier mitspielt, dass diese Antwort eben erwartet werde, sagt Seethaler. „Ich glaube, wenn wir eine türkis-blaue Koalition bekommen hätten, käme in einer weiteren Befragung in zwei Jahren wohl ein Rechtsruck heraus, weil die Befragten dann annehmen, dass dies die gewünschte Antwort sei.“


Dass Journalistinnen und Journalisten noch ein wenig weiter nach links gerückt sind, als das noch in der vorangegangenen Untersuchung von 2015 der Fall war, sei „nicht überraschend“, sagt Seethaler, „denn Journalisten sind traditionell immer etwas linker als die Bevölkerung. Es ist nicht verwunderlich, dass gerade in Anbetracht der zuletzt herrschenden Regierungsbeteiligungen eine eher distanzierte Haltung zu diesen eingenommen wird.“


Zur Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen mahnen auch die Schweizer Kollegen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften unter der Leitung von Vinzenz Wyss: „Wer aus der Selbsteinschätzung der politischen Einstellungen von Journalist:innen Schlussfolgerungen im Hinblick auf deren Berichterstattung ziehen will, sollte dies mit Vorsicht tun. So wäre etwa die Folgerung wenig plausibel, mehrheitlich linksorientierte Journalistinnen und Journalisten würden linke Regierungen oder Parteien unterstützen. Um die Frage tatsächlich beantworten zu können, inwieweit die politische Einstellung das journalistische Handwerk und somit die Berichterstattung beeinflusst, reichen Befragungen nicht aus. Vielmehr müsste die Berichterstattung – beispielsweise zu Wahlen und Abstimmungen – inhaltsanalytisch untersucht werden.“


Interessant sei all dies aber in Zusammenhang damit, führt Seethaler aus, dass Journalisten und Journalistinnen in der Befragung verstärkt angeben, dass für sie die Kontrollfunktion eine wichtige Aufgabe der Branche sei. „Das Bekenntnis zur Kontrolle der Mächtigen war in Österreich traditionell schwach ausgeprägt, hier beobachten wir einen deutlichen Anstieg und das würde ich als demokratisch durchaus interessant und begrü.enswert ansehen“, sagt der Wissenschafter. „Zumindest jeder Zweite sieht die Kontrollfunktion an der Spitze der journalistischen Aufgaben.“ Auch das Bekämpfen von Fake News, das 2015 noch nicht abgefragt wurde, finde sich hier ad hoc weit vorne.


Er beobachte, so Seethaler, „dass sich das Verständnis des Berufs verändert hat. Vor allem in Österreich ist das Objektivitätsideal hochgehalten, andererseits geben auch immer mehr Journalistinnen und Journalisten an, sie wollen Hintergründe liefern und zeigen, wie man diese einordnet, damit die Medienkonsumenten sich selbst ein Bild machen können. Das ist eine interessante Verschiebung, auch, weil dadurch die Möglichkeit zur politischen Partizipation geöffnet wird.“ Die Ergebnisse der Studien werden im Laufe des Jahres als Forschungsbericht, als Analyse im Österreichischen Medienhandbuch sowie als Buchpublikation herausgebracht.
 
Und sonst im Heft?
„JETZT“: Florian Novak erklärt, was das neue Onlinemedium so besonders macht, was Mitarbeiter bei ihm können müssen und wann’s losgeht.
SPECIAL: Warum sich OÖ das Land der freien Medien nennen darf.
MEDIENVOLKSBEGEHREN: Warum es höchste Zeit für eine Totalkorrektur ist.
JOBMARKT: Wer sucht und wer gesucht wird.