Technologie, Strategie und Organisation bieten Medienprofis, die sich umorientieren wollen, viele Chancen. Karrierecoach Attila Albert über drei Berufswege, die auf die großen Branchenthemen aufsetzen und sie nutzen.
Was könnte ich eigentlich sonst noch? Für viele Medienprofis, die über ihre berufliche Perspektive nachdenken, ist
eine Fach- oder Führungskarriere das naheliegende und meistens auch passende Ziel. Manche allerdings zieht es in ein gänzlich anderes Berufsfeld, weil sich ihre Interessen verändert haben oder sie auf neue Weise herausgefordert werden wollen. Persönlich kann ich das gut nachvollziehen. Im Zuge der Digitalisierung der Medienbranche habe ich ab Mitte 30, neben meiner damaligen Tätigkeit als leitender Redakteur, ein dreijähriges Studium als Webentwickler sowie anschließend eine einjährige Coachingausbildung absolviert. Das hat mir ganz neue Wege eröffnet.
Wer keinen kompletten Branchenwechsel plant, kann sich
aus seiner aktuellen Position schrittweise in eine andere Richtung entwickeln und doch weiterhin in der Medienwelt bleiben. Dafür brauchen erfahrene Medienprofis keine klassische Berufsberatung, wie sie Jugendliche ohne eigene Kenntnis der Arbeitswelt nutzen. Sie können an bisherige Erfahrungen und bekannte Interessen anknüpfen, ihr vorhandenes Profil erweitern und sich spezialisieren. Die Begleitung durch einen Coach oder Mentor empfiehlt sich dabei. Hier drei Entwicklungswege, die auf die großen Branchenthemen – weitere Digitalisierung und KI-Einsatz, bessere Monetarisierung, Kostendisziplin und Effizienz – aufsetzen.
(Ausführlich zu intrinsischen und extrinsischen Motivationsfaktoren bei der Berufswahl und Weiterentwicklung in meinem Ratgeber
„Ich brauch keinen Purpose, sondern Geld‟.)
Technologie: Mit Software befassen
Medienprofis nutzen täglich Computer, Software und digitale Plattformen. Dazu gehören: Content-Management-Systeme für redaktionelle Beiträge, Programme zur Foto- und Videobearbeitung, Social-Media- und Newsletter-Plattformen sowie KI-Anwendungen zur Recherche und Texterstellung. Im Normalfall sind Medienprofis dabei reine Anwender und einige wenige „Superuser‟ mit erweiterten Rechten, um Benutzerkonten verwalten und Kollegen anleiten zu können. Aber es ist eine Option, sich intensiver mit Hard- und Software zu beschäftigen und das
zu seinem neuen Tätigkeitsfeld zu machen.
Im einfachsten Fall beginnt das damit, seine eigenen Anwenderkenntnisse anderen zu vermitteln, typischerweise in Vorträgen, Workshops, Beratungen und Content aller Art (erklärende Artikel, Blogposts, Videos und Bücher). Ein Großteil der selbsterklärten Experten auf LinkedIn & Co. bewegt sich auf diesem Niveau. Das kann
durchaus interessant und ertragreich sein. Allerdings bewegt man sich damit noch nicht im technischen Feld. Dafür braucht es die Fähigkeit zum analytischen, strukturierten Denken: Informationen, Probleme und Lösungswege gedanklich zerlegen, neu und zielführend kombinieren.
Ein gewisses Interesse an Mathematik ist zudem entscheidend. Programmiersprachen und Datenmodelle folgen logisch und formal Gleichungen; KI ist angewandte Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wer hier tiefer einsteigen will, sollte es also nicht beim Anwenderkurs ChatGPT belassen. Empfehlung: Beschäftigen Sie sich einerseits mit den grundlegenden Konzepten von Software, Cloud, Daten und KI. Dazu finden Sie online eine Vielzahl von erklärenden Videos. Probieren Sie sich andererseits praktisch aus, indem Sie – unter Anleitung – eine kleine Webseite, eine Anwendung oder App programmieren. Später einmal könnten Sie z. B. in der Software-Beratung, -Entwicklung oder -Schulung arbeiten.
Strategie: BWL-Grundwissen aneignen
Der redaktionelle Alltag ist, auch wenn das Medienprofis oft nicht bewusst ist, weitgehend operativ geprägt. Es geht um schnelles, praktisches Umsetzen, und der Rahmen dafür steht größtenteils fest: Das Konzept des Mediums und seiner Elemente (Ressorts, Formate für Beiträge), ebenso der Produktionsablauf, Zuständigkeiten und Fristen. Wenn Änderungen intern diskutiert werden, betreffen sie meist Details. Die großen Entscheidungen treffen wenige Führungskräfte. So sind die meisten Medienprofis nie mit strategischen Fragen konfrontiert, halten sie oft sogar für hochfliegendes, wenig substanzielles Gerede.
Bewusst wird ihnen das häufig erst, wenn sie einmal selbst eine Strategie – einen Weg, bestimmte unternehmerische Ziele zu erreichen – entwerfen und durchsetzen sollen. Das geschieht typischerweise nach dem Aufstieg
von der Fach- zur Führungskraft, aber auch nach dem Wechsel vom Journalismus in die PR. Plötzlich soll man selbst einen mehrmonatigen oder -jährigen Plan auf sehr abstrakter Ebene entwickeln, der aber konkrete Ziele hat, während man bisher nur mit dem praktischen Tagesgeschäft befasst war und die unternehmerische Seite (Umsatz, Gewinn, Kosten) dem Management überlassen konnte.
Strategische Arbeit ist reizvoll für Medienprofis, die sich gern übergreifende Gedanken zu unternehmerischen Problemen und möglichen Lösungen machen. Zudem brauchen sie die Fähigkeit zur Verallgemeinerung und Abstraktion, sich also (zunächst einmal) vom Einzelfall und der konkreten Umsetzung lösen zu können. Empfehlung: Eignen Sie sich, wenn Sie nicht bereits einen entsprechenden Studienabschluss haben, BWL-Grundkenntnisse an, am besten im Rahmen eines MAS- oder CAS-Lehrganges berufsbegleitend über einige Monate. Das führt Sie in die Begriffs- und Gedankenwelt der strategischen Führung ein. Später einmal könnten Sie z. B. in der Markenführung oder im Produktmanagement arbeiten.
Organisation: In Aufgaben und Prozessen denken
Was zum Thema Strategie gesagt wurde, gilt für die meisten Medienprofis auch in Bezug auf die Organisation: Sie finden sie bereits vor und fügen sich ein. Wenn es Veränderungen gibt, dann wurden sie von anderen entschieden (z. B. Umstrukturierungen) oder sind rein individuell (z. B. neuer Kollege, eigener Wechsel). Jeder macht sich zudem zwar seine Gedanken, wie die Arbeit besser organisiert werden könnte, bezieht das aber meist auf den persönlichen Bedarf. Der abstrakte Blick auf die Organisation „von oben‟ kann allerdings auch
ein vielversprechendes Berufsfeld für die eigene Zunft werden.
Auch hier braucht es einen Perspektivenwechsel. Man muss lernen, das Unternehmen als einen Komplex aus Strukturen, Prozessen und Funktionen zu begreifen, in den Ausrüstung (Gebäude, Maschinen, Geräte) und Mitarbeiter eingebettet sind. Das ist zunächst ungewohnt, weil selbst die Arbeitgeber gern behaupten, bei ihnen stünde „der Mensch im Mittelpunkt‟. Aber im Mittelpunkt steht der Unternehmenszweck, und die Mitarbeiter organisieren sich dafür. Wer sich mit Organisationslehre und -entwicklung beschäftigt, der versucht, das möglichst erfolgreich und reibungsarm zu gestalten.
Dieses Berufsfeld eignet sich für alle, die komplizierte, sogar verworrene Abläufe gern durchdenken und ordnen, die Aufgaben sortieren und bestimmten Teams und einzelnen Stellen zuweisen wollen – damit danach die passenden Mitarbeiter dafür gefunden und eingesetzt werden. Empfehlung: Beginnen Sie nicht mit Psychologie, auch wenn Sie das interessiert und es naheliegend scheint. Üben Sie das abstrakte, strukturierte Denken. Eine gute Übung für den Start: Analysieren Sie Ihre aktuelle eigene Stelle in Form eines Fluss- oder Swimlane-Diagramms: Was machen Sie, wer liefert Ihnen zu, wem liefern Sie zu, wann und wie geschieht das? Spätere Tätigkeiten können, nach einer entsprechenden Weiterbildung, Organisationsentwickler oder -berater oder Arbeitspsychologe sein.
Zum Autor:
Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.
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