Medienprofis in der KI-Krise: 6 fatale Fehler, die Sie jetzt nicht machen dürfen
KI verändert die Medienwelt radikal – Texte, Videos, Audio: Vieles kann KI heute schon schneller und günstiger. Wer da mithalten will, muss jetzt klug handeln. Karrierecoach Attila Albert warnt vor sechs typischen Fehlern.
Berlin – Wieder einmal steht die Medienbranche vor massiven Veränderungen bzw. ist schon mittendrin: KI-Chatbots und die KI-Zusammenfassungen in der Google-Suche haben, obwohl noch gar nicht vollständig ausgerollt, bei Content-Webseiten bereits zu mehr als 34 Prozent Traffic-Verlust und ersten Entlassungen geführt. Klassische Medienhäuser müssen ihr Geschäftsmodell grundlegend überdenken und den neuen Realitäten anpassen, ebenso aber auch individuelle Medienprofis ihre berufliche Perspektive.
Doch gerade, wenn die eigene Stelle wackelt oder sogar schon gestrichen ist, fällt es vielen schwer, fokussiert und zielorientiert zu denken. Sie vertrödeln wichtige Entscheidungen, weil sie aufgewühlt und abgelenkt sind, verlieren wertvolle Zeit durch zögerliches Abwarten oder Alltagsfluchten (z. B. lieber erstmal eine Reise buchen). Das kann es sehr erschweren, eine neue Stelle zu finden bzw. sich in dem veränderten Umfeld zu behaupten. Hier sechs häufige Fehler, die neuen Erfolg unnötig erschweren – und wie es besser geht.
Ewiges Zögern: Pragmatische Hilfe suchenFür die meisten Medienprofis ist es ein Schock, vom Arbeitgeber für verzichtbar erklärt zu werden und bald ohne Arbeit dazustehen. Ihre Verfassung ist damit eine ganz andere als bei denjenigen, die sich selbst für die Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag, üblicherweise gegen Abfindung, entschieden haben. Wer unfreiwillig nur noch wenige Monate oder Wochen in seinem bisherigen Job hat, wird meist von enormen Selbstzweifeln und Existenzängsten geplagt – finde ich bald wieder etwas, verliere ich den Anschluss?
Das führt oft zu einer Art Schockstarre. Nichts wird entschieden, nichts kommt mehr voran. Die Betroffenen wollen in dieser heiklen Situation nichts falsch machen, zögern daher ständig und „warten ab“, als hätten sie alle Zeit der Welt. Nur ihre Gedanken kreisen immer wieder darum, wie es weitergehen könnte, was sie und andere falsch gemacht haben. Tipp: Seien Sie sich bewusst, dass Sie sich in einem Ausnahmezustand befinden. Suchen Sie den Rat einer pragmatischen Vertrauensperson (z. B. Mentor, Coach), damit es zügig weitergeht. Die notwendige persönliche Reflexion muss parallel dazu ablaufen.
Flucht in Reisen: Erst eigene Zukunft klärenDie typische Reaktion, wenn man sich in solch einer unangenehmen, schwierigen Situation wiederfindet, ist der Fluchtreflex: Erst einmal weg hier. Die verlockende Selbstrechtfertigung: Man könnte sich doch nun einen Lebenstraum erfüllen, der sonst nie möglich war, nämlich auf eine mehrmonatige Reise gehen. Schon die Vorbereitung ist eine willkommene Ablenkung. Es macht natürlich mehr Spaß, sich eine aufregende Reiseroute zusammenzustellen, als sich mit seiner beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen.
Eine lange Reise verursacht allerdings hohe Kosten. Man ist zudem nicht präsent, um Branchenkontakte auszubauen oder sich kurzfristig persönlich vorstellen zu können. Die erhoffte innere Klärung stellt sich auf touristischen Reisen auch eher selten ein. Besser hier: Kürzere Ferien (2-4 Wochen), dann auf die Stellensuche konzentrieren und einen Eintrittstermin aushandeln, der noch eine längere Reise (2-3 Monate) erlaubt. Tipp: Verbinden Sie die Reise mit einer beruflich relevanten Weiterbildung (z. B. Besuch einer Konferenz, Sprachkurs). Dann können Sie die Kosten meist steuerlich absetzen.
Zielloser Aktionismus: Eigene Kräfte einteilenWenn sich die ersten Zeitfenster ohne Ergebnis schließen, geraten die Betroffenen häufig in Panik. Die Bewerbungen noch als Angestellter waren erfolglos, man kehrt von seiner Reise zurück und muss feststellen, dass niemand auf einen gewartet hat, die Ersparnisse sind fast aufgebraucht. Dann beginnt vielfach ein zielloser Aktionismus, um endlich etwas zu erreichen, und zwar schnell: Wahllose Bewerbungen auf Stellen, bei denen eigentlich klar ist, dass sie nicht passen, Anmeldungen für Weiterbildungen aller Art usw.
Diese Hektik ist verständlich, aber kontraproduktiv. Sie erschöpfen sich dabei, ohne viel zu erreichen, werden bald mutlos und resignieren. Besser: Setzen Sie sich realistische Ziele, z. B. 1-2 Bewerbungen pro Woche, aber dann auf wirklich geeignete Stellen. Beginnen Sie eine Weiterbildung grundsätzlich nur, wenn klar ist, was Sie damit erreichen wollen und ob die konkrete Option zielführend ist. Tipp: Gehen Sie insgesamt davon aus, dass der aktuelle Zustand 6-9 Monate andauern kann, für Führungskräfte sogar ein Jahr oder mehr, und haushalten Sie mit Ihren Kräften (und Nerven). Planen Sie Erholungszeiten ein.
Wut auf KI: Inhaltlich auseinandersetzenWie jede bahnbrechende neue Technologie löst KI einerseits überzogene Erwartungen und andererseits ebenso übertriebene Befürchtungen aus. Insgesamt ist KI noch unausgereift und stark fehleranfällig, liefert Nutzern oft nicht die versprochenen Vorteile und ist auch für die Anbieter noch kein wirtschaftlicher Erfolg. Aber gerade im Content-Bereich ist kaum noch zu bestreiten, dass sich KI-Anwendungen bereits jetzt breit etablieren, ebenso für viele weitere Anwendungen (z. B. Datenanalysen, Brainstormings, Kundenservice).
Wer negativ davon betroffen ist, entwickelt oft eine starke Ablehnung oder will nichts damit zu tun haben. Medienprofis sollten sich aber damit anfreunden, dass KI schrittweise ein normaler Teil ihrer Berufstätigkeit werden wird – ähnlich wie die seinerzeit umstrittenen, nun überall genutzten Cloud-Anwendungen. Beschäftigen Sie sich also mit KI, interessieren Sie sich dafür. Tipp: Schauen Sie sich auch einige Erklärvideos dazu an, wie KI technisch funktioniert. Das verhilft zu einem tieferen Verständnis und einer realistischeren Bewertung, was diese Anwendungen leisten können und wo (zumindest bisher) ihre Grenzen sind.
Auf die Agentur für Arbeit hoffen: Selbst in Führung gehenSich bei der Agentur für Arbeit melden zu müssen, ist für die meisten Betroffenen äußerst zwiespältig. Einerseits sind sie dankbar, Hilfe zu bekommen und etwas Konkretes tun zu können, andererseits fühlen sie sich wie Bittsteller und sozial ins Abseits geraten. Gerade Medienprofis, die lange angestellt waren und noch „die guten Jahre“ der Branche kannten, sagen häufig, dass sie das für sich „nie erwartet“ hätten. Dazu kommen vielfach aber auch falsche Vorstellungen von der Aufgabe und den Zielen der Agentur für Arbeit.
Bei der Agentur für Arbeit handelt es sich in Deutschland um eine Bundesbehörde, die u.a. die Arbeitslosenversicherung umsetzt. Sie ist nicht per se für Berufs- und Karriereberatung oder Weiterbildungen nach Wunsch zuständig. Die Sachbearbeiter haben für detaillierten Rat meist weder die Branchenkenntnis noch die Zeit. All das ist weiter in Ihrer vollen Verantwortung. Tipp: Informieren Sie sich genau über die Rechtslage, auch wenn es z. B. um Abwesenheiten oder Unterstützung für eine Selbstständigkeit geht. Damit haben Sie realistische Erwartungen und vermeiden Konflikte zu Ihrem Nachteil.
Persönliche Verletzungen: Behutsam aufarbeitenDer Verlust des Arbeitsplatzes ist mehr als nur eine praktische Herausforderung. Man verliert nicht nur seine Aufgaben, seine Tagesstruktur und sein Einkommen, sondern auch viele Sozialkontakte, ein gewisses Ansehen, Einfluss. Das verletzt und kränkt verständlicherweise, dazu kommen Wut, Enttäuschung und Neid auf andere, denen das erspart geblieben ist. Manche Betroffene verdrängen das und geben sich ganz praktisch orientiert, andere lassen sich von negativen Gedanken und Gefühlen überwältigen.
Beide Ansätze haben ihre Berechtigung und Zeit. Anfangs sollte man sich wirklich auf das praktische Lösen seiner Herausforderungen konzentrieren, sich dann aber ein wenig seelische Selbsterkundung erlauben. Auch, wenn Sie schon eine neue Stelle gefunden haben, um vorhandene Negativität nicht unbewusst dorthin mitzunehmen. Tipp: Notieren Sie zeitweise Ihre Gedanken und Gefühle, um sie für sich zu ordnen. Versuchen Sie dabei, Schlüsse zu ziehen: Was lernen Sie daraus, was werden Sie zukünftig anders machen? Das lenkt den Blick auf die Zukunft und Ihre konkreten Möglichkeiten.
Zur vergangenen Kolumne: Warum Sie nicht befördert werden
Zum Autor:
Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.
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